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Aus: Ausgabe vom 29.12.2025, Seite 16 / Sport
Skispringen

Alle Jahre wieder

Der wichtigste aller Wettbewerbe im Skispringen: Zum Auftakt der Vierschanzentournee
Von Gabriel Kuhn
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Derzeit im Gesamtweltcup auf Rang sechs: Felix Hoffmann vom SWV Goldlauter

Es gibt wenige Sportarten, bei denen Titel bei Olympischen Spielen und Weltmeisterschaften nicht zwangsläufig die begehrtesten sind. Das Skispringen der Männer gehört dazu. Das höchste der Gefühle ist ein Sieg bei der Vierschanzentournee mit den immer gleichen Stationen: Oberstdorf (29.12.), Garmisch-Partenkirchen (1.1.), Innsbruck (4.1.) und Bischofshofen (6.1.). Hauptargument der Athleten: Äußere Umstände, vor allem der Wind, können einzelne Springen zur Lotterie machen, doch bei der Tournee gebe es keine Zufallssieger. Dazu kommt die Besonderheit, innerhalb kurzer Zeit vier unterschiedliche Schanzen bewältigen zu müssen. Und dann ist da noch die Tradition. Die Vierschanzentournee wird seit 1953 ausgetragen, einen Weltcup im Skispringen gibt es erst seit 1980.

Für deutsche Skisprungfans stellt sich vor der 74. Auflage der Tournee wieder einmal die Frage, wann es den nächsten deutschen Sieger geben wird. Der mittlerweile zum TV-Experten umgeschulte Sven Hannawald war der letzte, das ist jetzt 24 Jahre her. Einige seiner Kollegen waren seither knapp dran, doch ganz gereicht hat es nie: Severin Freund (WSC-DJK Rastbüchl) belegte 2016 ebenso den zweiten Platz wie Andreas Wellinger (SC Ruhpolding) 2018 und 2024, Markus Eisenbichler (TSV Siegsdorf) 2019 und Karl Geiger (SC Oberstdorf) 2021.

Wellinger und Geiger sind immer noch dabei, doch die bisherige Saison verlief für die beiden alles andere als rosig. In mehreren Weltcupspringen scheiterten sie an der Qualifikation für den Finaldurchgang der besten 30. Zuletzt wurden beide sogar aus dem Weltcupteam gestrichen, um sich individuell auf die Tournee vorbereiten zu können. Es käme schon einem Wunder gleich, würden sie plötzlich wieder ganz vorne stehen. Die Hoffnungen im DSV ruhen daher auf zwei Spätstartern.

Der 25jährige Philipp Raimund (SC Oberstdorf) sprang jahrelang im Weltcup eher unter ferner liefen. In der vergangenen Saison belegte er in der Gesamtwertung den 24. Platz. Ein Sieg in einem Weltcupspringen fehlt ihm noch, doch heuer stand Raimund schon viermal auf dem Podest. Mit einer Ausnahme war er immer unter den Top elf plaziert, im Gesamtweltcup macht das Rang vier. Noch verblüffender ist das Formhoch des 28jährigen Felix Hoffmann (SWV Goldlauter), der im Gesamtweltcup auf Rang sechs liegt und zuletzt bei den Springen in Engelberg in der Schweiz, der Generalprobe für die Tournee, auf den Plätzen zwei und drei landete. In der vergangenen Weltcupsaison landete Hoffmann in der Gesamtwertung auf Platz 50. Unter den Top ten hatte er sich vor dieser Saison noch nie bei einem Springen plazieren können.

Komplettiert wird das deutsche Aufgebot von Pius Paschke (WSV Kiefersfelden), der ebenfalls noch seiner Form aus dem Vorjahr hinterherspringt, als er in der Gesamtweltcupwertung mit Platz fünf bester DSV-Athlet war. Dazu kommen bei den Heimspringen in Oberstdorf und Garmisch-Partenkirchen vier Startberechtigte aus der sogenannten nationalen Gruppe, unter ihnen der erst 19jährige Max Unglaube vom WSV 1923 Bad Freienwalde in Brandenburg, dem nördlichsten Skisprungzentrum Deutschlands.

Raimunds und Hoffmanns größtes Problem, was einen Angriff auf den Tourneesieg anlangt: die Überform der in der Weltcupwertung mit Abstand führenden Domen Prevc (Slowenien) und Ryōyū Kobayashi (Japan). Prevc war zuletzt achtmal in Folge auf dem Podest (davon fünf Siege), Kobayashi war in den bisherigen elf Weltcupspringen nie schlechter als Siebter. Konstanz ist gerade für einen Tourneesieg von besonderer Bedeutung, was Kobayashi wohlbekannt ist. Er triumphierte bereits 2019, 2022 und 2024. Sollte Prevc gewinnen, wäre es der erste Tourneesieg für Slowenien seit 2016 – damals gewann Domens älterer Bruder Peter, der mittlerweile seine Karriere beendet hat.

Auch die Österreicher zählen heuer nicht zum engen Favoritenkreis, obwohl sie im Vorjahr mit Daniel Tschofenig, Jan Hörl und Stefan Kraft einen überlegenen Dreifachsieg feiern konnten. Das Ende war dramatisch. Nach dem achten und letzten Sprung der Tournee waren die drei Österreicher nur durch 3,1 Punkte getrennt. Der Viertplazierte Norweger Johann André Forfang lag schon fast 40 Punkte zurück. Doch während auch das erste Weltcupspringen dieser Saison in Lillehammer einen dreifachen österreichischen Triumph brachte (und zwar exakt in der Reihenfolge der Tournee des Vorjahres: Tschofenig vor Hörl und Kraft), verlief die Saison danach für die ÖSV-­Adler enttäuschend. Gerade einmal drei Podestplätze gab es in den darauffolgenden zehn Springen. Routinier Stefan Kraft liegt in der Gesamtweltcupwertung als bester auf Rang sieben.

Der Dreifachsieg im Vorjahr war erst der zweite in der Geschichte der Tournee. Österreich gelang das Kunststück einmal zuvor, 1975, zu Beginn des damaligen österreichischen »Skisprungwunders«. 1976 wäre sogar ein Vierfachsieg möglich gewesen, wäre den Öster­reichern nicht der für den ASK Vorwärts Oberhof startende Jochen Danneberg in die Parade gefahren. Danneberg holte sich auch 1977 den Tourneesieg. Auf dem Weg zum Triple zog er sich 1978 bei einem Trainingssturz in Innsbruck eine schwere Knieverletzung zu. Freud und Leid liegen auch im Sport nahe beieinander.

Mit insgesamt elf Siegen bei der Tournee steht die DDR bis heute besser da als die BRD mit fünf – wobei zwei der BRD-Siege nach 1989 dem Oberwiesenthaler Jens Weißflog zu verdanken sind. In der ewigen Rangliste der Tourneesiege liegt Weißflog, der schon als DDR-Athlet zweimal gewonnen hatte, mit insgesamt vier Siegen auf Platz zwei – nur der Finne Janne Ahonen hat mit fünf Siegen einen mehr zu verbuchen.

Immer noch nicht bei der Vierschanzentournee mitspringen dürfen die Frauen, doch das soll sich ab dem kommenden Jahr ändern. Im November dieses Jahres einigten sich der Österreichische Skiverband und das Land Tirol darauf, an der Bergiselschanze in Innsbruck eine Flutlichtanlage zu installieren, was die Programmgestaltung flexibler macht. Dann sollen die Frauen parallel zu den Männern auf allen vier Schanzen der Tournee Wettbewerbe abhalten können, so wie es an den meisten Weltcupstationen bereits jetzt gang und gäbe ist. In diesem Jahr müssen sich die Frauen ein drittes Mal mit der auf Oberstdorf und Garmisch-Partenkirchen beschränkten »Two Nights Tour« zufriedengeben. Die Siegerin der vergangenen beiden Jahre hieß Nika Prevc, die jüngste der so erfolgreichen Skisprunggeschwister aus Slowenien.

Das DSV-Aufgebot bei den Frauen wird angeführt von Agnes Reisch (WSV Isny), die in der Gesamtweltcupwertung auf Rang sieben liegt, einen Platz vor der Weltmeisterin auf der Normalschanze 2023, Katharina Schmid (SC Oberstdorf).

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