Den Faden verloren
Von Leo Schwarz
Publizistische Wortmeldungen mit allerdings recht unterschiedlicher Substanz und Stoßrichtung zum Thema DDR werden seit einiger Zeit wieder häufiger. Jetzt hat die kleine »DDR-Welle« auch die bei diesem Thema bislang eher nicht in Erscheinung getretene Zeitschrift für Ideengeschichte erreicht. Die viermal im Jahr im Verlag C. H. Beck erscheinende geisteswissenschaftliche Fachzeitschrift, die herausgeberisch von einer institutionellen Kooperation unter anderem des Deutschen Literaturarchivs Marbach, der Klassik-Stiftung Weimar und der Stiftung Preußischer Kulturbesitz getragen wird, hat ihrer aktuellen Ausgabe einen Schwerpunkt »Weltmacht DDR« spendiert.
Im Editorial heißt es, dass die DDR mehr als 30 Jahre nach ihrem Untergang »im Zenit ihrer Macht« stehe. Der absurde Befund wird mit der Beobachtung begründet, dass dem »Obrigkeitsstaat Ost« eine »eigentümliche Form posthumer Geschichtsmacht« zugewachsen sei. Allerdings ohne Zutun der Herausgeber: Sie räumen freimütig ein, dass »auch die Zeitschrift für Ideengeschichte (…) lieber jeden Stein der westdeutschen Provinz zweimal umgedreht« habe, »als den Blick nach Osten schweifen zu lassen«. Das vorliegende Heft solle »hier Abhilfe schaffen«, und zwar »mit einer Vielstimmigkeit, die sich nicht auf einen geschichtspolitischen Nenner bringen lässt«.
Zwar hat man nach nassforschen Kundgaben der Herausgeber zur »geistigen Enge dieses Regimes« oder darüber, dass »der zur Schau gestellte Internationalismus der DDR angestrengte Fassade« war, nur noch wenig Lust, das Heft durchzublättern – aber einige nachfolgende Texte verdienen dann doch Interesse. Dazu gehören die Beiträge von Sonia Voss über die in den 80er Jahren in Manhattan entstandenen Aufnahmen der DDR-Fotografin Sibylle Bergmann, von Martin Sabrow über »Honecker in Chile« und von Dietmar Dath über den »Fernsehroman im Sozialismus«.
Lesenswert ist auch der Essay von Thomas Meaney über die »89er« (»Lehrjahre einer Deutungselite«). Meaneys (allerdings vor allem mit Material aus den USA und Großbritannien unterlegte) These ist, dass diese »Deutungselite«, deren Einfluss sich der »schieren Zahl an Institutionen« verdanke, »die sie lenken«, den »historischen Faden« längst verloren habe – »eingelullt vom unaufhaltsam geglaubten Vormarsch ihres liebsten historischen Subjekts namens Zivilgesellschaft«. Die Journalisten unter den »89ern« hätten sich »in ihrer Rolle als zeithistorische Hofberichterstatter eines siegreichen Liberalismus gefallen«. Das eigentliche Erbe der »89er« sei, dass sie »einen Begriff von Politik als Sphäre widerstreitender Interessen« weitgehend wegretuschiert hätten. »Mustergültige Vertreter des 1989er-Typus« in Deutschland seien die Grünen.
Zeitschrift für Ideengeschichte, 19. Jahrgang/Nr. 4 (Winter 2025), 128 Seiten, 20 Euro
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