Schöne Worte, wenig Geld
Von Andreas Müller
Mitunter lassen sich politische Taschenspielereien recht schnell erkennen. In ihrem Koalitionsvertrag hatte die neue Bundesregierung vollmundig angekündigt, jährlich eine »Bundesmilliarde« auf den Tisch zu legen im Kampf gegen marode Sportstätten. Hurra, endlich ein großer Wurf, jubelte man beim Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB). Zu früh gefreut. Die Merz-Regierung rechnete neu. Die Milliarde sollte nun über die gesamte Legislaturperiode gestreckt werden, so wären pro Jahr 250 Millionen Euro geblieben. Es folgte eine weitere Korrektur – insgesamt 333 Millionen Euro fürs neue Programm »Sanierung kommunaler Sportstätten«, Laufzeit 2026 bis 2028. Inzwischen hat der Haushaltsausschuss des Bundestages die 333 Millionen Euro in seiner Bereinigungssitzung Ende vergangener Woche verdoppelt – bei vier Jahren Laufzeit.
»Mehr PR als Hilfe«
So stehen jetzt also 666 Millionen Euro zur Verfügung, macht jährlich 166,5 Millionen Euro vom Bund für die Infrastruktur des Breitensports. Womit für den Freizeit- und Hobbysport die ursprünglich in Aussicht gestellten tausend Millionen Euro pro Jahr auf etwa ein Sechstel zusammengeschrumpft wären. Ernüchternd – obgleich der Haushaltsausschuss gerade noch 250 Millionen Euro draufgelegt hat, die indessen ausschließlich für die besonders kostspielige Sanierung von Schwimmhallen verwendet werden dürfen. Sowie weitere 150 Millionen Euro für die Sportstätten des Leistungssports. Wie auch immer – von der anfänglichen Bundesmilliarde ist das alles denkbar weit entfernt.
Das sei weit »weniger als gedacht«, rieben sich jüngst Sachsens Innenminister Armin Schuster und seine Amtskollegen auf der Konferenz der Sportminister (KMK) in Heidelberg die Augen. Die Länder und Kommunen sind es schließlich, die laut Gesetz für funktionierende Sportanlagen zu sorgen haben und mit dieser Alleinverantwortung seit Jahrzehnten im Regen stehen. Kommentar des Landessportbundes (LSB) Hessen: »Von einer Milliarde Euro kann derzeit keine Rede sein. Diese Ankündigung ist mehr PR als tatsächliche Hilfe für den Sport.«
»Hochgradig enttäuschend«, urteilte der DOSB und bezog sich damit auch aufs unbefriedigende Verfahren bei der Verteilung der Fördergelder. Von der Merz-Regierung als »Modellprojekt zum Bürokratieabbau« gepriesen, ist davon nichts zu merken, seitdem das neue Programm Mitte Oktober ausgerufen wurde. Den Städten, Gemeinden und Landkreisen als Eigentümern von Sporteinrichtungen bleibt noch bis zum 15. Januar Zeit, beim Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung sogenannte Projektskizzen digital einzureichen. Welche Bewerber die Fördermittel in der Größenordnung von mindestens 250.000 Euro bis maximal acht Millionen Euro bekommen, darüber entscheidet anschließend der Haushaltsausschuss des Bundestages.
Somit behält ausgerechnet das Gremium das letzte Wort, dessen Mitglieder bei dem Vorgängerprogramm »Investitionspakt« die Fördergelder vorzugsweise in den eigenen Wahlkreis gelenkt haben, statt die Anträge einzig nach sachlich-fachlichen Kriterien zu beurteilen und entsprechend die Gelder zu verteilen. »Projektauswahl nach Bedarf statt nach Wahlkreis«, hatte der DOSB daraufhin den Parlamentariern als wichtige Spielregel für die »Bundesmilliarde« mit auf den Weg gegeben. Der Hinweis wurde ignoriert, ebenso wie weitere Wünsche des Dachverbandes. Etwa der, dass Sportvereine endlich direkt als Zuwendungsempfänger zugelassen werden und nicht länger auf den Umweg über die Kommunen angewiesen sind. Förderrichtlinien sollten vereinfacht, Antragsfristen verlängert, Verfahren verschlankt werden. Zugleich sollte der Bund in Gestalt von sogenannten Verpflichtungsermächtigungen finanziell schon jetzt über 2028 hinaus für Kontinuität und Planungssicherheit im Kampf gegen die Sportstättenmisere sorgen.
Keiner dieser qualifizierten Hinweise des Dachverbandes wurde im neuen Förderprogramm berücksichtigt. Partnerschaft und Wertschätzung sehen anders aus. Bei der »Sportmilliarde« täuschen und tricksen die Akteure an den Hebeln der Macht nicht allein hinsichtlich der versprochenen finanziellen Größenordnung ungeachtet jüngster Nachbesserungen. Sie halten außerdem selbstherrlich am mangelhaften Prozedere fest. So knüpft dieser jüngste Anlauf zur Sanierung der marodesten unter den bundesweit etwa 231.000 Sportanlagen nahtlos an Vorgängermodelle der vergangenen Jahrzehnte an – ein Pflästerchen für eine riesige Wunde.
Schlechte Datenlage
Indes eröffnen sich dem Sport realistische Chancen, aus dem »Sondervermögen Infrastruktur und Klimaneutralität« durchaus nennenswerte Summen zu erhalten. Denn nach längerem Ringen soll es nun möglich sein, aus dieser 100-Milliarden-Euro-Quelle ebenfalls Sportanlagen zu finanzieren. Wieviel davon die einzelnen Länder in die Sanierung und Instandhaltung von Sportstätten fließen lassen, ist freilich noch nicht zu beziffern. Gerade sind die Bundesländer dabei, sich ihren Anteil von diesem »Bundesbatzen« zu sichern bzw. ihn zu verplanen. Mitunter geschieht das im Verbund mit landeseigenen Förderprogrammen wie in Nordrhein-Westfalen, wo in den kommenden Jahren so rund 600 Millionen Euro für in die Jahre gekommene Sportstätten bereitstehen – bei einem Sanierungsbedarf von rund 3,6 Milliarden Euro.
Wie schlecht es tatsächlich um die existentiellen Grundlagen des Breiten-, Freizeit- und Hobbysports bestellt ist, hat der wissenschaftliche Dienst des Bundestages kürzlich zu ermitteln versucht. Mit geringem Erfolg. Die jüngste Erhebung zum Thema Sanierungsstau, 2023 vom Bundesinstitut für Sportwissenschaft herausgegeben, kam zu folgendem Schluss: »Nach wie vor fehlt in Deutschland, jedenfalls auf Bundesebene, eine einheitliche und umfassende Datenlage zum Bestand an Sportstätten und zur Erfassung von dynamischen Veränderungen.« Damit sind etwa Neubauten und Abrisse gemeint. Die derzeit verlässlichste Größe zum Bestimmen der finanziellen Mittel, die notwendig wären, das Weiterbröckeln und die Einsturzgefahr zu verhindern, stammt aus einer im Juli 2018 veröffentlichten Expertise von DOSB, Deutschem Städtetag und Deutschem Städte- und Gemeindebund. Darin wird der Sanierungsbedarf von Sportstätten über alle Eigentümergruppen und Anlagentypen hinweg auf rund 31 Milliarden Euro beziffert. Dreizehn Jahre zuvor hatte der Dachverband, damals noch als Deutscher Sportbund, dieses nationale Desaster auf 42 Milliarden Euro taxiert.
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