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Aus: Ausgabe vom 02.07.2025, Seite 16 / Sport
Sportfilm

Schwanengesang

Der Rennfahrerfilm »F1« und das letzte Abenteuer
Von Peer Schmitt
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Zwischen Sport und visueller Kultur hat es immer enge Beziehungen gegeben, mehr noch: Sport ist selbst eine Spielart visueller Kultur. Einige Filmtheoretiker gehen sogar soweit, Sport dem Wesen nach als filmisch zu begreifen: »Sport is essentially cinematic« (Murray Pomerance).

So ist das Genre des Rennfahrerfilms mehr oder weniger so alt wie das kommerzielle Kino überhaupt. Das Prinzip Geschwindigkeit ein Merkmal der Modernität, auch wenn erst im Zeitalter des Tonfilms so richtig Fahrt aufgenommen wurde: etwa mit »The Crowd Roars« (1932) von Howard Hawks mit James Cagney. Bis heute die mustergültige Dramaturgie des Genres über Aufstieg und Fall eines Fahrers, einen Todesfall auf der Strecke und die Konkurrenz durch den eigenen jüngeren Bruder.

Rennfahrerfilme gibt es also wie Sand am Meer, Spielfilme speziell über die Formel 1 aber sind seltener. »Rush« (Ron Howard, 2013) über die Rivalität zwischen James Hunt und Niki Lauda in der Saison 1976 oder mit eben dieser Saison als Hintergrund der halbwegs vergessene »Bobby Deerfield« (Sidney Pollack, 1977) mit Al Pacino in der Titelrolle. Der berühmteste (und bis heute beste) Formel-1-Film aber ist gleich der erste: »Grand Prix« (1966) von John Frankenheimer: der Versuch, mitten in der Krise des Hollywoodstudiosystems eine technische Formvollendung zu finden, für die die damalige TV-Konkurrenz noch keine Entsprechung zu bieten hatte (Liveübertragungen in Farbe gab es erst kurz danach).

Nun ist es ausgerechnet die Firma Apple, die mit Joseph Kosinskis Film »F1« ins Blockbustergeschäft groß einsteigt; eine Firma, die mit ihren Gadgets und der digitalen Mediendistribution mustergültig für das Ende des Filmischen mitverantwortlich zeichnet. Entsprechend dürftig sind die Rennszenen visuell: Es sind Montagesequenzen aus den von den TV-Übertragungen bekannten Kameraperspektiven, in der Halbtotalen von oben, halbnah von der Seite usw. Zwischenschnitte auf die Box (so gut wie nie aber auf die Zuschauermassen), »product placement« ohne Ende, die Subjektive auf die Strecke (die Suggestion der Geschwindigkeit), auf die Instrumente/Bildschirme im Cockpit, die bereits auf die Computerspielsimulation verweisen. In einer Szene führt ein Fahrer mehrfach hintereinander so eine Simulation einer bestimmten Rennsituation selber durch. Die Rennen selbst müssen von einer penetranen Offkommentarstimme erklärt werden. Der permanente Erklärungsnotstand des Materials ist auch ein Kennzeichen des Postcinema.

Auch als Porträt des Alltags von Profisportlern und ihrem Metier ist der Film ein schlechter Witz, obwohl er ja – neben Militärgroßmeister Jerry Bruckheimer – von keinem anderen als Lewis Hamilton produziert wurde, der auch kurz als er selbst durchs Bild läuft. Es dauert eine gute Dreiviertelstunde, bis zum ersten Mal das magische Wort »qualifying« zu vernehmen ist. Da ist man aber mit Brad Pitt schon ein paar Rennen gefahren. Überhaupt Brad Pitt. Er spielt den Veteranen Sonny Hayes, der 1993 wegen eines Rennunfalls seine hoffnungsvolle Karriere beenden musste. Er sei noch gegen Ayrton Senna (verstorben 1994) gefahren, heißt es, und wird nun von seinem alten Kollegen Rubén Cervantes (Javier Bardem), inzwischen Teammanager eines Formel-1-Rennstalls, angeheuert, um das Team vor dem sportlichen wie ökonomischen Bankrott zu retten. Ein Comeback als Mittfünfziger. Wenigstens vergisst er beim Einsteigen ins Cockpit seine Gehörschutzstöpsel nicht.

Die seltsam enge Beziehung der männlichen Filmstarpersona zum Rennfahrerberuf (James Garner, Steve McQueen und Paul Newman fallen einem ein) bekommt da einen schweren Schlag Selbstironie. Brad Pitt als eine Art lonesome cowboy der Rennstrecke mit einer entsprechend virilen und selbstherrlichen Anmutung. Sein junger, schwarzer, britischer Rennstallkollege Joshua Pearce (Damson Idris) hat einen Begriff dafür, den der Amerikaner Sonny Hayes kaum kennen kann: »swanning«. Selbstverliebt herumstolzieren und sich dabei möglichst verantwortungslos verhalten. Brad Pitt nimmt es leicht, obwohl er jeden Morgen einen Loop seines Rennunfallvideos vor Augen hat. Zeichen seines Traumas: Der Fahrer mit dem Videoschnitt-Blackout.

Zu Beginn des Films fährt (und gewinnt) er die »24 Hours of Daytona«, geschnitten im Rhythmus eines Led-Zeppelin-Riffs. Der Veteran steht für das Großspurige, aber noch Handgemachte, ungetrübt Männliche, das Abenteurertum des Rennsports. Es handelt sich bei »F1« offenkundig um einen Werbefilm für die Formel 1, die aber primär eine TV-Erfahrung von Orten des Endes der Geschichte wie Las Vegas und Abu Dhabi darstellt. Gerahmt ist er aber von zwei Motorsportereignissen, die angeblich noch Abenteuer für die Filmstarpersona bereithalten können: Daytona und das »Baja 1000«, ein Wüstenrennen für den Wüstencowboy.

»F1«, Regie: Joseph Kosinski, USA 2025, 155 Min., bereits angelaufen

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