Die letzte Reise

Nach 36 Jahren sagt der einmal jährlich erscheinende Rundbrief der Hamburger Willi-Bredel-Gesellschaft »Tschüs«. Einst ein »bescheidenes Infoblättchen«, war der Rundbrief zuletzt ein »umfangreiches, informatives und abwechslungsreiches Geschichtsmagazin«, wie der Vorstand der Bredel-Gesellschaft und die Redaktion im Editorial der neuen Ausgabe zu Recht feststellen. Die informativen Beiträge zur Hamburger Stadt- und Kulturgeschichte, die konsequent den Blick auf die widerständigen »kleinen Leute« richteten, fanden auch außerhalb der Hansestadt viele interessierte Leser. Damit ist nun bedauerlicherweise Schluss: »Leider werden aber auch wir älter und es erfordert immer größere Anstrengungen, das erreichte Niveau zu halten.« Der nun erschienene neue Rundbrief ist deshalb der letzte. Die Jahrgänge ab 1996 sollen weiter auf der Internetseite der Bredel-Gesellschaft abrufbar bleiben.
In der letzten, wie immer reich und mit Sorgfalt illustrierten Ausgabe schreibt Herbert Schneider über Willi Bredel und das 1924 errichtete Chilehaus in Hamburg – ein Versuch, eine kritische Perspektive zu dem im vergangenen Jahr gefeierten hundertjährigen Jubiläum hinzuzufügen: »Der Errichtung des Chilehauses und der weiteren Gebäude des Kontorhausviertels hatte Hamburg große Teile seiner historisch bedeutsamen Altstadt geopfert.« Die Errichtung des Kontorhausviertels erscheine als früher Fall von Gentrifizierung, so Schneider. Das in der Altstadt lebende Arbeitermilieu wurde verdrängt (in einer Jubiläumspublikation wird das Viertel noch 2024 im Ton des Abscheus als »sozial unruhig und deliktbehaftet« beschrieben), und auch die ursprünglich vorgesehene teilweise Neubebauung mit Wohnungen unterblieb auf Betreiben der Investoren: Schon damals warfen »Bürogebäude mehr Profit ab«. Den Beginn des Abrisses der südlichen Altstadt hat Willi Bredel in seinem Roman »Die Väter« geschildert.
Hans-Kai Möller schreibt über Willi Bredels »letzte große Reise« im Jahr 1962, die ihn nach Ägypten – hier als Gast einer Konferenz afrikanischer und asiatischer Schriftsteller – und nach Indonesien führte. In Indonesien traf er dabei auch den 1965 ermordeten Vorsitzenden der damals weltweit drittgrößten kommunistischen Partei, D. N. Aidit.
Außerdem in der letzten Rundbrief-Ausgabe: Holger Tilicki beleuchtet die »wechselvolle Geschichte der Mühlen und Schleusen an der Oberalster«, Dörte Möller die Geschichte der Druckerei Trompke. Uwe Leps erinnert an den 1995 verstorbenen Hamburger Antifaschisten Emil Heitmann, der auch der Willi-Bredel-Gesellschaft eng verbunden war. 2024 wurde in der Straße Bilenbarg eine Gedenstele für ihn eingeweiht. (jW)
Rundbrief der Willi-Bredel-Gesellschaft, Jg. 36/2025, 51 Seiten, 2,50 Euro, Bezug: Willi-Bredel-Gesellschaft – Geschichtswerkstatt e. V., Ratsmühlendamm 24, 22335 Hamburg, E-Mail: willi-bredel-gesellschaft@t-online.de
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