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Aus: Ausgabe vom 17.06.2025, Seite 15 / Natur & Wissenschaft
Meeresschutz

»Keine rechtsverbindlichen Beschlüsse«

3. UN-Meereskonferenz: Der Meeresschutz bleibt weiterhin ungeregelt. Gespräch mit Kai Kaschinski. Von Gitta Düperthal
Von Gitta Düperthal
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Mit Plastikabfällen verschmutzter Strand in Puerto Barrios, Guatemala (2.6.2025)

Obgleich die Ozeane am Rande unumkehrbarer Kippunkte stehen, beabsichtigen Staaten und Wirtschaftsunternehmen, sie industriell auszubeuten. Welche Resultate hatte die 3. UN-Meereskonferenz in Nizza, die am Freitag endete?

Die Umweltsituation in den Ozeanen und der erforderliche globale Meeresschutz haben an Bedeutung gewonnen. Ein Schwachpunkt aber ist, dass es rechtsverbindliche Beschlüsse nicht gab – auch im Fall des von vielen Staaten ratifizierten UN-Hochseeschutzabkommens nicht. Ob politisch umgesetzt wird, was in der Abschlusserklärung steht, ist fraglich. Weil aber mehr als 90 Staaten sich dahinter versammelt haben, kann das Plastikabkommen vorangebracht werden. Den Verbrauch einzuschränken und Verbraucher zum Verzicht aufzufordern, ist jedoch nach wie vor umstritten. Dagegen sind etwa ölproduzierende Staaten wie Saudi-Arabien. Die Versprechen, den immer schlechter werdenden Gesamtzustand der Meere zu verbessern, müssen nun endlich erfüllt werden. Betont wurde bei der Konferenz, den Meeresboden stärker schützen zu wollen.

Dem entgegen steht der Tiefseebergbau: Metalle wie Mangan, Kobalt, Kupfer und Nickel sollen für die Elektromobilität abgebaut werden. Welche Schäden könnten entstehen?

Die völlig neue Technologie, diese im großen Stil abzuernten, kann ökologisch großen Schaden verursachen: etwa für Seeberge, also durch vulkanische Aktivität entstandene Unterwassergebirge, oder für »schwarze Raucher«, die hydrothermale Quellen am Meeresboden bilden, aus denen heißes, mineralienreiches Wasser quillt. Die dort existente besondere Tierwelt könnte zugrunde gehen. Mit ihrem Zugriff könnte die Industrie maritime Untergründe großflächig zerstören. Mit Umweltschutz hat das nichts zu tun.

Und wie stellen sich Konzerne dem gegenüber?

Regeln für den Abbau in der Tiefsee von Mineralien werden bei der Internationalen Meeresbodenbehörde verhandelt. Doch beantragte zum Beispiel der kanadische Konzern The Metals Company mit Sitz in Vancouver eine Lizenz nach US-Recht in den USA unter Präsident Donald Trump, um unabhängig davon Abbau betreiben zu können. Postuliert wird da etwa, »grüne Technologien« voranbringen zu wollen. Man nimmt teilweise Argumente von Umweltschützern auf; behauptet etwa, Abbau in der Tiefsee sei besser als in tropischen Regenwäldern. Dass die Biodiversität auch dort in Gefahr gerät, interessiert nicht. Wir nennen das Greenwashing.

Was ist zur Ratifizierung des UN-Hochseeschutzabkommens (Agreement on Biodiversity beyond National Jurisdictions, kurz BBNJ) zu sagen? Wie viele Staaten haben es ratifiziert, und welche Relevanz hat es?

Die Präambel des BBNJ-Abkommens zum Schutz der hohen See besagt: »Wir sind bestrebt, in Gebieten jenseits nationaler Gerichtsbarkeit im Namen heutiger und künftiger Generationen als Verwalter des Meeres zu handeln, indem wir die Meeresumwelt schützen, pflegen und eine verantwortungsvolle Nutzung sicherstellen, die Integrität der Meeresökosysteme erhalten« – vor allem gelte es, »den inhärenten Wert der biologischen Vielfalt in Gebieten jenseits nationaler Gerichtsbarkeit zu bewahren«. Das Abkommen war als ein »Highlight« in Nizza angekündigt. Die erhoffte Unterzeichnung durch 60 Staaten hätte das baldige Inkrafttreten einläuten sollen. Tatsächlich wurden es nur 51, womit das BBNJ jetzt noch nicht verabschiedet werden kann. Auch Deutschland hat noch nicht ratifiziert.

Wichtige Themen der Konferenz waren auch die Ernährungssicherung und die Kleinfischerei.

Um die Welternährung und die Ökologie zu sichern, müssen große Industrien von den Zonen ferngehalten werden. Das ist vor allem im Interesse der Staaten des globalen Südens; insbesondere von »The Small Island Developing States«, den kleinen Inselentwicklungsländern, in Afrika, der Karibik und Ozeanien. Auch weil sie durch den Meeresspiegelanstieg in ihrer Existenz bedroht sind, sind sie beim Meeresschutz ganz vorn dabei. Damit der Norden dafür mehr Geld investiert, müssen wir den Druck auf die Regierenden dort erhöhen. Ein starkes internationales Netzwerk forderte bei der Konferenz Transparenz in der Fischereipolitik: nicht nur für die Regierungen, sondern auch für lokale Küstengemeinschaften und Verbände der Kleinfischerei. Sie fordern, Zonen einzurichten, die ihnen vorbehalten bleiben. Die Welternährungsorganisation in Rom hat zum Schutz der Fangrechte der Kleinfischerei eine Richtlinie erlassen. Madagaskar oder Mauretanien zum Beispiel haben bereits solche Zonen eingerichtet, die der Ernährungssicherheit dienen.

Wie sollte die deutsche Union- und SPD-geführte Bundesregierung, insbesondere Umweltminister Carsten Schneider, den Meeresschutz umsetzen? Und welche Chancen sehen Sie, insbesondere da ja Klima- und Umweltschutzpolitik bei dieser erkennbar kaum als Priorität gelten?

Das Umweltministerium muss mehr tun: den globalen Süden unterstützen und aktiv für die Erhaltung der Ökologie und den Klimaschutz eintreten. Es muss vor allem leichteren Zugang zu Projektmitteln für die Länder des globalen Südens schaffen. Der Fokus der Aufmerksamkeit liegt bislang meist auf großen Städten und Megacitys. Die kleinen lokalen Küstengemeinschaften werden zu wenig berücksichtigt. Diese sozialen Aspekte müssen stärker in den Blickwinkel rücken. Klimagerechtigkeit oder auch »Ocean Justice« müssen in den Fokus der Debatte rücken.

Wie ist das politisch durchzusetzen?

Es gilt, die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen, die unter Punkt 14 »Leben unter Wasser«, das Ziel des Schutzes maritimer Lebensräume fasst, ins Blickfeld der Aufmerksamkeit zu bringen. Aus dem globalen Norden wird verlautbart, den Naturschutz unter besonderen Schutz stellen zu müssen. Aus dem globalen Süden wird gefordert, die Existenz der Menschen in den Mittelpunkt zu rücken. Wir müssen beides zusammenbringen. Es geht um den Erhalt und Schutz der Ozeane, Meere und marinen Lebensräume. Nachhaltige Fischereipraktiken müssen gefördert werden, um die Artenvielfalt der Meeresökosysteme zu bewahren. Weiterhin ist es ein Ziel, Meeresverschmutzung und Plastikmüll zu reduzieren.

Kai Kaschinski ist Vorstand und Projektkoordinator der entwicklungspolitischen Organisation »Fair Oceans« mit Schwerpunkt Meerespolitik

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