Rentenkürzungen auch in Luxemburg
Von Gerrit Hoekman
Die Beschäftigten in Luxemburg fiebern dem 28. Juni entgegen. Für diesen Tag haben die großen Gewerkschaften im Großherzogtum zu einer nationalen Demonstration gegen die Politik der Regierungskoalition aus der christsozialen CSV und der liberalen DP aufgerufen, »Wir sind an einem Wendepunkt angelangt: Während die Welt, wie wir sie kennen, ins Wanken gerät, greifen die luxemburgische Regierung und das Patronat unser Sozialmodell und unsere Errungenschaften frontal an«, heißt es im gemeinsamen Aufruf der größten Gewerkschaft, dem Onofhängege Gewerkschaftsbond Lëtzebuerg (OGB-L), und dem christlichen Lëtzebuerger Chrëschtleche Gewerkschaftsbond (LCGB). Patronat werden in Luxemburg die Unternehmen genannt.
Von außen betrachtet erscheint das kleine Land oft wie eine Insel des Wohlstands und der Glückseligkeit in einem tosenden Meer aus wachsender Armut und Sozialabbau in Europa. Weit gefehlt! »Unsere Renten sind in Gefahr! Unsere Löhne werden angegriffen! Unsere Arbeitszeit ausgehebelt! Unsere Kaufkraft leidet! Unsere Sozialversicherung steht vor der Zerschlagung! Unsere Grundrechte werden in Frage gestellt! Unsere Existenzgrundlage ist bedroht!« Der Demoaufruf zeichnet ein Bild, das so gar nicht zum Klischee der Wohlfühloase Luxemburg passen will.
Am 28. Juni wird es jedenfalls mit der vermeintlichen Ruhe vorbei sein. »Gemeinsam erheben wir unsere Stimme für unser Sozialmodell, eine offene, solidarische und demokratische Gesellschaft, Gleichheit sowie soziale Gerechtigkeit!« Mittlerweile hat sogar die eher gemäßigte Gewerkschaft für Beschäftigte im Bank- und Versicherungssektor ALEBA ihre Teilnahme zugesagt.
Dass die Kommunistische Partei Luxemburg (KPL) dabei ist, wundert hingegen niemanden. Am Dienstag traf sich das ZK der KPL mit Vertretern des OGB-L, berichtete die marxistische Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek. Themen waren die von der Politik geplante vollständige Liberalisierung der Öffnungszeiten im Einzelhandel sowie die Weigerung der Regierung, den Mindestlohn und die Mindestrente signifikant zu erhöhen.
Besonders kritisiert wird in Luxemburg aktuell die angekündigte Rentenreform. »Die von der Regierung eingeschlagene Richtung wird immer klarer: Anhebung des Renteneintrittsalters, drastische Verschlechterung unseres allgemeinen und solidarischen Systems und keine Erhöhung der Mindestrente!« heißt es in dem Demoaufruf. »Das ist eine ungerechte Reform. Die Regierung will alle über einen Kamm scheren. Dabei gibt es viele Besonderheiten, die berücksichtigt werden müssen – vor allem bei vulnerablen Gruppen wie Grenzgängern mit gemischten Karrieren oder Arbeitsmigranten«, betonte der stellvertretende Generalsekretär der LCGB, Christophe Knebeler, am Dienstag gegenüber der Tageszeitung L’Essentiel. »Die Auswirkungen werden proportional stärker für Grenzgänger mit kurzer Beschäftigungsdauer in Luxemburg sein.« Rund 60 Prozent der Werktätigen in Luxemburg leben nicht im Land, sondern pendeln täglich über die Grenze.
OGB-L und LCGB schlagen zur Finanzierung des Rentensystems die Abschaffung der Beitragsobergrenze für hohe Einkommen vor, was nach ihren Berechnungen etwa 600 Millionen Euro in die Kasse spülen würde. Premierminister Luc Frieden hat die Gewerkschaften für den 9. Juli zu einem neuen Treffen eingeladen, nachdem diese die Gespräche im Mai abgebrochen hatten. Die Gewerkschaften verlangen die sogenannte Tripartite, an der neben der Regierung und den Gewerkschaften auch das Patronat teilnimmt. Die Dreierrunde wurde erstmals in der Stahlkrise einberufen, die Luxemburg zwischen 1975 und 1985 beutelte. »Wir müssen die aktuelle Situation erst in Ruhe bewerten«, reagierte die Chefin des OGBL, Nora Back, verhalten auf das Angebot der Regierung, berichtete L’Essentiel.
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