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Aus: Ausgabe vom 17.05.2024, Seite 14 / Medien
künstliche Intelligenz

Mehr KI, weniger Journalisten

Medienhäuser wollen mit künstlicher Intelligenz Gewinne steigern – auf Kosten der journalistischen Qualität
Von Kristian Stemmler
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Immer mehr Zeitungsartikel werden von KI geschrieben

Sie verfasst Texte, hilft bei der Recherche, durchforstet das Internet nach Themen oder sichtet große Datenmengen – der Einsatz von künstlicher Intelligenz (KI) gehört in vielen Redaktionen mittlerweile zum Arbeitsalltag. Entsprechend wird KI für Verlage immer wichtiger, wie eine aktuelle Studie des Medienverbands der freien Presse (MVFP) zeigt, aus der das Branchenmagazin Meedia am Dienstag zitierte. Demnach ist KI für zwei Drittel der Medienhäuser bereits heute so wichtig, dass sie ihre Investitionen in diesem Bereich deutlich erhöhen wollen.

Wichtigstes Thema für 2024

Wie schon der Titel der Studie zeigt, geht es den Verlagen dabei weniger um eine Steigerung der journalistischen Qualität ihrer Produkte als vielmehr um höhere Gewinne: »KI zur Erlössteigerung in Medienunternehmen – Treiber der Transformation?« Rund 85 Prozent der für die Studie befragten Medienhäuser erwarten, dass sie durch die neue Technologie ihre Erlöse erheblich steigern und sich im hart umkämpften Wettbewerbsumfeld besser behaupten können. Für die Studie befragte der Verband in Kooperation mit dem Beratungsunternehmen Nxt Statista rund 100 Führungskräfte sowie Experten zum aktuellen und zukünftigen Einsatz von KI im Journalismus.

Für knapp ein Drittel der befragten Unternehmen ist KI »das strategisch wichtigste Thema für 2024«. Sie wollen in entsprechende Systeme »breit investieren«. Für 35 Prozent ist der Einsatz der KI »integraler Bestandteil der Unternehmensstrategie«, sie investieren demnach »mit Augenmaß«. Bei zwölf Prozent der befragten Medienhäuser ist der Einsatz von KI noch »sehr zurückhaltend«, auch wenn sie ihn durchaus als »Chance« sehen. Für weitere 27 Prozent ist KI bislang ein »reines Experimentierfeld ohne Relevanz für das Tagesgeschäft«. In diesen Unternehmen wird der Bereich teilweise sogar als Umsatzrisiko gesehen.

Laut Studie wird KI vor allem bei der Produktion von journalistischen Inhalten (Content) beziehungsweise der Verifizierung von Inhalten eingesetzt. Auch in den Bereichen Administration und Marketing wird KI stark genutzt. Die Manager haben aber noch weitere Anwendungsfelder im Blick. Als besonders wichtig gilt angeblich, dass künstliche Intelligenz die Arbeit der Beschäftigten »erleichtern« soll – etwa bei der Sprach-zu-Text-Verarbeitung. Rund 58 Prozent der Befragten sehen KI zudem als wichtigen Baustein, um Prozesse zu automatisieren. Das schaffe Freiräume, »um künftig mehr Produkte mit der gleichen Belegschaft anbieten zu können«. Denn der Kostendruck in den Presseverlagen ist hoch. Sinkende Auflagen und schrumpfende Vermarktungserlöse drücken massiv auf die Margen.

Springer als Vorreiter

Springer-Vorstandssprecher Mathias Döpfner dürfte sich durch die aktuelle Studie in seinem Kurs bestätigt fühlen. Sein Konzern investiert seit langem kräftig in künstliche Intelligenz, um Google, Facebook und Co. in der Vermarktung etwas entgegenzusetzen. Auch in den Redaktionen etabliert er immer neue KI-Systeme – etwa mit den KI-Assistenten »Hey« bei Bild oder »Welt go!« bei Welt. Zudem geht Döpfner strategische Partnerschaften ein, unter anderem mit dem Chat-GPT-Entwickler Open-AI. Dieser kann auf Inhalte von Springer-Produkten zugreifen, darunter Politico und Business Insider. Die Folgen von KI bei Springer haben die Beschäftigten bereits zu spüren bekommen. Im Zuge eines Kürzungskurses bei Bild hieß es im Juni 2023 in einer E-Mail an die Belegschaft: »Wir müssen uns damit leider auch von Kollegen trennen, die Aufgaben haben, die in der digitalen Welt durch KI und/oder Prozesse ersetzt werden oder sich in dieser neuen Aufstellung mit ihren derzeitigen Fähigkeiten nicht wiederfinden.« Auch das bedeutet also KI in Medienhäusern: Journalisten durch Maschinen ersetzen, um die Profite zu steigern.

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  • Leserbrief von Istvan Hidy aus Stuttgart (16. Mai 2024 um 22:30 Uhr)
    Die KI bietet Potential zur Effizienzsteigerung und zur Bewältigung von Herausforderungen, mit denen Medienunternehmen konfrontiert sind, wie etwa sinkende Auflagen und schrumpfende Vermarktungserlöse. Es ist klar, dass Medienhäuser zunehmend in KI investieren, um ihre Erlöse zu steigern und sich im Wettbewerbsumfeld zu behaupten. Unternehmen wie Springer haben bereits umfangreiche Initiativen gestartet, um KI in verschiedenen Bereichen einzusetzen, angefangen von der Produktion journalistischer Inhalte bis hin zur Vermarktung. Insgesamt zeigt diese Debatte, dass der Einsatz von KI in Medienhäusern nicht nur eine technologische Frage ist, sondern auch ethische, soziale und arbeitsbezogene Aspekte umfasst, die sorgfältig berücksichtigt werden müssen.
    • Leserbrief von Onlineabonnent/in Heinrich H. aus Stadum (17. Mai 2024 um 12:47 Uhr)
      Die Medienhäuser sollten KI zum Lesen des KI-generierten Lesestoffs einsetzen, autonome LeserInnen also. Wenn sie die KI gut bezahlen, wird sie auch viel lesen.

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