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Aus: Ausgabe vom 13.05.2024, Seite 16 / Sport
Schach

Die Liga der Mäzene

Deutscher Mannschaftsmeister im Schach ist erstmalig der SC Viernheim. Serientitelträger OSG Baden-Baden entthront
Von Sören Bär
22.De3! (Maghsoodloo behauptet nun seinen Mehrbauern.)
22.De3! (Maghsoodloo behauptet nun seinen Mehrbauern)

Die von Wolfgang Grenkes Bürogeräte-Leasing-Unternehmen gesponserte OSG Baden-Baden ergatterte seit 2005/2006 in 18 Saisons sagenhafte 17 Titel. Doch in diesem Jahr wurde der erst seit 2019/2020 in der Bundesliga vertretene SC Viernheim zum Spielverderber. Das entscheidende Duell fand in der im Bürgerhaus Viernheim ausgetragenen zehnten Runde statt. Der Titelverteidiger musste unbedingt gewinnen, denn er hatte bereits beim 4:4 gegen den Hamburger SK am zweiten Spieltag geschwächelt. Um den Publikumsansturm zu befeuern, gaben die Gastgeber vorab bekannt, dass Streamingstar Hikaru Nakamura am Spitzenbrett spielen würde. Er traf auf den 54jährigen indischen Exweltmeister Viswanathan Anand, was für noch mehr mediales Interesse sorgte. Die Gladiatoren kämpften bis zu den blanken Königen, so dass die Begegnung nach 55 Zügen unentschieden endete. Zuvor hatte Anand im Turmendspiel einige einzig rettende Züge finden müssen. Auch die Weltklassepaarungen an den Brettern zwei, drei, vier und acht endeten mit Punkteteilungen.

Während Viernheim ausschließlich Legionäre aufbot, befanden sich bei der OSG die deutschen Nationalspieler Vincent Keymer und Alexander Donchenko an fünf und sieben im Line-up. Donchenko remisierte mit Schwarz gegen Anton Korobow (Ukraine). Am sechsten Brett unterlag Nikita Witjugow (England) dem Spanier David Antón. In einer nervenaufreibenden Schlacht triumphierte Parham Maghsood­loo (Iran) über den 19jährigen deutschen Ranglistenersten Keymer. Damit waren der 5:3-Sieg und der Titelgewinn für die Equipe von Teamchef Stefan Martin perfekt, die alle Matches gewann (30:0 Mannschaftspunkte). Für Baden-Baden blieb die Silbermedaille. Den Bronzerang sicherte sich Werder Bremen vor den ebenfalls von Grenke gesponserten Schachfreunden Deizisau.

Absteigen müssen neben dem ausschließlich auf einheimische Spieler setzenden HSK Lister Turm (1:29) auch die Münchner Schachakademie (4:26) und der SC Remagen (8:22) auf den Plätzen 16 bis 14. Das Kopf-an-Kopf-Rennen gegen den Abstieg zwischen dem SV Mülheim Nord und dem USV TU Dresden endete bei jeweils 12:18 Mannschaftspunkten mit einem halben Brettpunkt (!) zugunsten der Dresdner. Doch für Mülheim gab es ein Happyend: Der von privaten Geldgebern alimentierte SC Ötigheim, mit einer Armada ausländischer Profis aus den untersten Klassen aufgestiegen, muss zurückziehen, weil 60.000 Euro fehlen. Ein typisches Szenario, denn deutsche Schachteams sind von einzelnen Mäzenen und Sponsoren abhängig. So führte Franz Beckenbauers Verdikt »Die Klötzleschieber brauch’ mer net« nach dem Tod des finanzierenden Kunsthändlers Heinrich Jellissen 1995 zu einer Metamorphose der Schachabteilung des FC Bayern München vom Meister zum Mittelfeldteam.

Parham Maghsoodloo – Vincent Keymer, Bundesliga 2023/2024, 10. Runde, OSG Baden-Baden – SC Viernheim, Brett 5, Viernheim, 24.2.2024, Katalanisch

1.d4 Sf6 2.c4 e6 3.Sf3 d5 4.g3 dxc4 5.Lg2 Lb4+ 6.Ld2 a5 (Diese Variante wurde nach dem WM-Match Kramnik – Topalow in Elista 2006 populär.) 7.Dc1 (7.Dc2 ist ebenfalls geeignet, den Bauern c4 zu attackieren.) 7Lxd2+ (Dieser Abtausch ist erzwungen, denn 7…b5 8.a4 c6 9.axb5 cxb5?? scheitert an 10.Lxb4 mit Figurenverlust wegen 10…axb4?? 11.Txa8+- .) 8.Dxd2 (8.Sbxd2 verzichtet auf den Rückgewinn des Gambitbauern. Nach 8…b5 9.a4 c6 10.b3 cxb3 11.Sxb3 0-0 12.0-0 La6 hat Weiß Kompensation, aber nicht mehr.) 8c6 (Mit dem Manöver 8…Se4 9.Df4 Sd6 kann Schwarz auf Kosten der Entwicklung den Bauern c4 vorerst halten.) 9.a4 b5 10.axb5 cxb5 11.Dg5! (Dieser Doppelangriff auf die Bauern b5 und g7 ist die Pointe von 8.Dxd2.) 110-0 (11…b4 12.Dxg7 Tg8 13.Dh6 Lb7 14.0-0 ist sehr riskant.) 12.Dxb5 La6 (Die Tabija dieses Abspiels ist erreicht.) 13.Dc5!? N (Maghsoodloo bringt eine Neuerung aufs Tapet. In der 1. WM-Partie Kramnik – Topalow, Elista 2006, entstand nach 13.Da4 Db6 14.0-0 Dxb2 15.Sbd2 Lb5 16.Sxc4 Lxa4 17.Sxb2 Lb5 18.Se5 Ta7 = ein kompliziertes Endspiel mit gleichen Chancen. Aus dem Nehmen des Bauern a5 mit 13.Dxa5 resultiert nach 13…Lb7 14.Dxd8 Txa1 15.Dxf8+ Kxf8 16.0-0 Ta2 = eine ausgeglichene Position. Paradoxerweise darf Weiß die Dame nicht behalten: 15.Db6? Txb1+ 16.Kd2 c3+! führt genauso zum Verlust wie 15.Dc7? (oder 15.De7?) 15…Txb1+ 16.Kd2 Txb2+ 17.Kc1 c3!) 13Sbd7 14.Da3 Lb7 15.Sbd2 Sb6 16.0-0 Se4 17.Sb1!? (Mit diesem bizarren Springerrückzug wollte der Iraner die Remistendenz nach 17.Sxe4 Lxe4 18.Dc5 vermeiden.) 17Sd5 18.Tc1 Sb4? (Keymer gibt ohne Not den Bauern c4 auf. Er hätte mit 18…Sb6 den Rückzug antreten müssen.) 19.Txc4 Sd6?! (Keymer übersah vermutlich, dass er nach 19…La6 20.Tc1 Lxe2 sofort mit dem Doppelangriff 21.De3! konfrontiert wird. Nach 21…Lxf3 22.Lxf3 f5 23.Lxe4 fxe4 24.Sc3! Sd5 25.Dxe4 ± sichert sich Weiß einen Mehrbauern. Schwer zu sehen war 19…f5! 20.Tc1 f4 21.g4 h5 22.gxh5 Tf5 23.Sc3 Txh5 24.Sxe4 Lxe4 25.Tc5 Txc5 26.dxc5 Dd5!) 20.Tc5 Se4? (Besser war 20…e5! 21.Sxe5 Lxg2 22.Kxg2 Se4 23.Tc4 Dd5 24.f3 Sd6 25.Tc5 De6!) 21.Tc1 e5 22.De3! (Maghsoodloo behauptet nun seinen Mehrbauern.) 22exd4 23.Dxd4 Db8 24.Sc3 Te8 25.Sxe4 Lxe4 26.Dc5 Ta6 27.Sd4 Lxg2 28.Kxg2 g6 29.Kg1 Td6 30.Dc4! (30.Txa5? würde sich nach 30…Td5! als Fauxpas erweisen. Weiß müsste mit 31.Dxb4 die Dame geben, um nach 31…Dxb4 32.Txd5 Dxb2 in der Partie zu bleiben.) 30Db6 31.e3! (Weiß errichtet eine Springerbastion.) 31Tb8 32.b3 Td5 33.Dc7 Tb7 34.Df4 Tc5 35.Txc5 Dxc5 36.De4 Ta7 37.h4 h5 38.Td1 Te7 39.Da8+ Kg7 40.Sf3 Dc6? (40…Sc6!, um 41.Td8 zu verhindern.) 41.Td8! Dxa8 42.Txa8 +- Sc6? (Mit 42…Tc7! und der Idee 43.Txa5 Sd3! konnte Keymer noch kämpfen.) 43.Ta6 Tc7 44.Kf1 Kf8 45.Sd2 Ke7 46.Sc4 Kd7 47.Ke2 Ke8 48.Kd2 Td7+ 49.Kc3 Tc7 50.Kd2 Td7+ 51.Ke2 Tc7 52.Sxa5 Se5 53.f4 Sg4 54.Sc4 Kf8 55.e4 Tb7 56.Ta3 Sf6 57.Sd6 Tb4 58.e5 Sd5 59.Kd3 Ke7 60.Ta4 Tb8 61.Kd4 Ke6 62.Ta6 Sb4 63.Ta4 Sc2+ 64.Kd3 Sb4+ 65.Kc4 Sd5 66.Ta6 Sb4 67.Ta7 f6 68.Tg7! (68…fxe5 69.Txg6+ Kd7 70.fxe5 +-) 1:0.

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