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Aus: Ausgabe vom 26.04.2024, Seite 15 / Feminismus
Frauenfilmfest

Revolutionäre Wut

Internationales Frauenfilmfest: »Rage & Horror« im Fokus – Pathologisierung durchbrechen
Von Gitta Düperthal
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Lippenstift mal anders: Die 17jährige Jonny im Film »Perpetrator«

Wer wissen will, welche Themen aktuell auf der feministischen Agenda stehen und wer herausragende Filmkunst erleben möchte, ist beim Internationalen Frauenfilmfest (IFFF) gut aufgehoben. Es findet jährlich abwechselnd in Dortmund und in Köln statt und bei der 41. Ausgabe in Köln war diesmal der Fokus »Rage & Horror« bemerkenswert: Warum eigentlich wird Wut von Frauen immer als lächerlich oder pathologisiert dargestellt: als Frauenleiden, übertrieben, nicht der Norm entsprechend? Warum wird sie nicht als Streben nach der Zerstörung gesellschaftlicher Strukturen jahrhundertelanger Frauenunterdrückung eingeordnet, dem das »Potential zu Selbstermächtigung und Wandel innewohnt«, fragte die Filmkuratorin des IFFF, Betty Schiel. Das Festival liegt damit auf der Höhe der Zeit: Volle Kinosäle, Filmvorstellungen oft ausverkauft.

Zu den spannenden Kinoerlebnissen des Fokus gehörte Jennifer Reeders Film »Perpetrator« aus dem Horrorthrillergenre. In der US-amerikanischen und französischen Koproduktion (2023) durchbricht die 17jährige Jonny (Kiah McKirnan) das gestrenge Regiment ihrer Tante Hildie (Alicia Silverstone). Als die sie anweist, von ihr gestohlene Gegenstände zu essen, verbeißt sie sich in einen Lippenstift, Symbol weiblichen Schönheitsideals und der Domestizierung. Sie zeigt ihre blutigen Zähne. Dem sadistischen Schuldirektor bereitet sie wenig Freude. Es wäre kein feministischer Film, würde nicht die Solidarität der Schülerinnen untereinander eine Rolle spielen. Und freilich gab es beim Festival ungewöhnliche, kreative Ideen.

Zum guten Theorie-Praxis-Verhältnis des Festivals passte Susanne Kahlichs Selbstverteidigungsworkshop unter dem Titel »Pretty Deadly Self Defense« zu Ausschnitten aus klassisch männlich produzierten Horrorfilmen. Motto: Schluss mit antiquiert inszenierten weiblichen Opferritualen in Film und Realität! Auch der Spielfilm »Pre­venge« (2016) der Britin Alice Lowe beeindruckte. Quasi präventiv auf künftig zu erwartende Misogynie reagierend, ruft ein ungeborener weiblicher Fötus zu feministischer Gegenwehr auf: Chauvinistische Mistkerle und neoliberale Chefinnen müssen in der schwarzhumorigen Slasher-Komödie auf blutige Art dran glauben. Die behandelnde Gynäkologin beruhigt die Schwangere: Das Baby wird dir sagen, was zu tun ist.

Bei den Publikumsmagneten fehlte nicht der Klassiker »Black Panthers« der 2019 verstorbenen Regisseurin Agnès Varda, der den Widerstand gegen brutale Polizeigewalt und die revolutionären Forderungen der schwarzen Bewegung im Jahr 1968 in den USA dokumentiert. »A Place of Rage« (1991) von Pratibha Parmar hebt den Kampf der schwarzen Aktivistinnen June Jordan, Angela Davis und Alice Walker hervor: Sie berichten der Regisseurin von ihrem politischen Kampf. Und schon damals wussten sie, dass dieser von Schwarzen, Frauen, Lesben, Schwulen und Arbeitern gemeinsam geführt werden muss – für Davis in Richtung Sozialismus oder Kommunismus, um kapitalistische Ausbeutung und Diskriminierung zu stoppen.

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