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Aus: Ausgabe vom 26.03.2024, Seite 16 / Sport
Radsport

Über den Kemmelberg

Mitten in der »Vlaamse Wielerweek«: Die 86. Austragung von Gent–Wevelgem
Von Holger Römers
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Rivalen der Straße: Mathieu van der Poel und Jasper Philipsen (r. im Vordergrund)

Die sogenannte flämische Fahrradwoche, die im Straßenradsport der Männer alljährlich in der Flandernrundfahrt gipfelt, dauert seit Jahrzehnten fast doppelt so lang, wie der inoffizielle Name vermuten lässt. Dabei hat sich die Abfolge der Kopfsteinpflasterrennen zuletzt 2018 geändert, als der führende regionale Rennorganisator einen Termintausch zugunsten des (am Mittwoch bevorstehenden) »Quer durch Flandern« erzwang, was die verschobenen »Drei Tage von De Panne« zugleich auf ein Drittel schrumpfen ließ. Das so entstandene Eintagesrennen markiert seitdem den Auftakt der »Vlaamse Wielerweek« und wird zumeist im Massensprint entschieden. In dem setzte sich am letzten Mittwoch Jasper Philipsen (Alpecin-Deceuninck) durch und untermauerte damit, anderthalb Wochen nach seinem ersten Monumentsieg in Sanremo, zugleich seine Favoritenrolle für Gent–Wevelgem.

Bevor dessen 86. Austragung am Sonntag stattfand, hatte Philipsens Kollege Mathieu van der Poel freilich seinerseits am Freitag den 66. E3-Preis gewonnen. Dabei hatte der 29jährige Niederländer ein halbes Dutzend Mal attackiert und war die letzten 43 Kilometer solo gefahren. Deshalb ging der Weltmeister zwei Tage später ebenfalls als heißer Sieganwärter an den Start, wo der erkrankte Vorjahressieger Christophe Laporte (Team Visma / Lease a Bike) ebenso fehlte wie dessen Kollege Wout van Aert, der beim E3-Preis im ungünstigsten Moment gestürzt und nach zermürbender Verfolgung Dritter geworden war.

Nachdem Lidl-Trek schon am Freitag versucht hatte, das Rennen kollektiv zu bestimmen, und dabei immerhin einen zweiten Platz für Jasper Stuyven errungen hatte, drückte die Mannschaft dieser windigen, aber ungewohnt trockenen Ausgabe von Gent–Wevelgem erst recht mit perfekter Taktik ihren Stempel auf. Gute Positionierung ermöglichte es Mads Pedersen und seinem italienischen Kollegen Jonathan Milan, van der Poels Tempoverschärfung bei der ersten Überquerung des Kemmelbergs zu folgen, bevor 83 Kilometer vorm Ziel auch noch Stuyven Teil der vorübergehend siebenköpfigen Spitzengruppe wurde. Zwar hatte der Belgier bald einen Platten, doch Milan unternahm einen Ausreißversuch, was Pedersen 20 Kilometer lang von jeder Führungsarbeit entband. Die verrichtete van der Poel indes so großzügig, dass man sich fragen mochte, ob er womöglich auf ein Aufschließen des auch Philipsen umfassenden Pelotons spekulierte.

Dessen Rückstand wuchs nämlich nie auf viel mehr als eine Minute, obwohl die dort verbliebenen Trek-­Fahrer diskret Störarbeit verrichteten. 34 Kilometer vorm Ziel blieben von der Spitzengruppe dann nur noch Pedersen und van der Poel übrig, dem freilich eine gewisse Mühe anzumerken war, der Beschleunigung des Kontrahenten bei der dritten und letzten Überquerung des Kemmelbergs zu folgen. So war es keine Überraschung, als sich der 28jährige Däne nach 253 Kilometern im Zweiersprint durchsetzte, bevor Jordi Meeus (Bora-Hansgrohe) den sehr prominent besetzten Massensprint um den letzten Podiumsplatz gewann.

Das zum 13. Mal ausgetragene Frauenrennen nahm danach einen gegensätzlichen, aber ebenso spannenden Verlauf. Es dominierte erwartungs­gemäß Team SD Worx / Protime, das mit der Vorjahressiegerin und Zeitfahrspezialistin Marlen Reusser, der Topsprinterin Lorena Wiebes und der Alleskönnerin Lotte Kopecky Siegoptionen für alle Szenarien besaß. Die belgische Weltmeisterin sorgte denn auch 60 Kilometer vorm Ziel für eine erste Selektion, wobei neben den genannten Kolleginnen noch eine dritte folgen konnte, so dass ein kollektives Übergewicht in der Spitzengruppe bestand, selbst als Elisa Longo Borghini (Lidl-Trek) ihre Kollegin Elisa Balsamo heranführte. Die hatte zuvor in De Panne gewonnen sowie den nur von den Frauen ausgefochtenen Trofeo Alfredo Binda und galt als zweite große Sprintfavoritin.

Die insgesamt zehn Fahrerinnen ließen sich aber schnell wieder einfangen, woraufhin sich das Muster bei zwei Überquerungen des Kemmelbergs jeweils wiederholte, wobei Balsamo jedoch zuletzt nicht den Anschluss an die von Kopecky erzwungene Spitzengruppe fand. Obwohl zu den acht Ausreißerinnen wieder Wiebes und, mit leichter Verzögerung, Reusser gehörten, ließ SD Worx trotzdem ein drittes Mal die Einholung zu – und setzte somit alles auf den Massensprint. In dem konnte sich Wiebes tatsächlich gegen Balsamo durchsetzen, nachdem vor allem Trek noch ein halbes Dutzend Ausreißversuche neutralisiert hatte. Allerdings waren es höchstens zehn Zentimeter, die die 25jährige Niederländerin nach 171 Kilometern von der ein Jahr älteren Italienerin trennten – und SD Worx vor einem taktischen Fiasko.

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