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Aus: Ausgabe vom 26.03.2024, Seite 2 / Inland
Reiche Rechte

»Ein solches Entree im Bahnhof ist unmöglich«

Regensburg: Kunstwerk zeigt Persönlichkeiten der Stadtgeschichte, auch Rechte, wie Thurn und Taxis. Ein Gespräch mit Kurt Raster
Interview: Gitta Düperthal
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Schmerzt im Auge: Thurn und Taxis im Bahnhof Regensburg

Im Regensburger Bahnhof ist ein Kunstwerk installiert, das Regensburger Persönlichkeiten zeigt, darunter auch die Schlosseigentümerin Gloria von Thurn und Taxis. Das solidarische Bündnis Regensburg hat dagegen eine Petition gestartet – weshalb?

Das Kunstwerk hängt seit 2007 quasi als Aushängeschild für die Stadt dort. Schon damals war Thurn und Taxis für rassistische Aussagen bekannt wie etwa, schuld an der Verbreitung von HIV-Infektionen in Afrika sei ausschweifendes Sexleben: »Der Schwarze schnackselt gerne.« Seither hat sich deren reaktionäres Wirken verschärft. Mittlerweile sind soviele Verstrickungen von ihr in extrem rechte Kreise und Positionen bekannt, dass wir ein solches Entree im Bahnhof komplett unmöglich finden.

Können Sie das Werk beschreiben?

Es besteht aus zwei Teilen. Auf Säulen sind geschönte Motive aus der Regensburger Vergangenheit ausgestellt, kritisches ist da nicht zu sehen. Ein Rondell darüber bildet Regensburger Persönlichkeiten aus unterschiedlichen Bereichen ab, darunter der Theaterregisseur Joseph Berlinger, der 2022 verstorbene Papst Benedikt, der Regensburg als seine wahre Heimat bezeichnete, sowie eine Marktfrau aus der Stadt. Und aus unserer Sicht problematisch: Direkt neben Thurn und Taxis zeigt es den 1923 in Regensburg geborenen Hans Rosengold, der 1939 vor den Nazis nach Argentinien floh, und späteren langjährigen Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde. Da er 2011 verstarb, kann er sich nicht mehr wehren. Vermutlich hätte er es sich verbeten, neben einer Person abgebildet zu sein, die unter anderem auf dem Youtube-Kanal des geschassten Bild-Chefredakteurs Julian Reichelt »Achtung Reichelt« Verschwörungstheorien verbreitet.

Zum Beispiel?

In Presseberichten heißt es: Der Organisator des ultrarechten Potsdamer Treffens, Gernot Mörig, war mit Gesinnungskomplizen im Sommer 2023 bei einer Gala in deren Schloss zu Gast. Anwesend war auch der Exverfassungsschutzchef und extrem rechte Funktionär der kürzlich zur Partei umfunktionierten Werteunion Hans-Georg Maaßen. Thurn und Taxis’ Willkommensrede wurde im nachhinein von dort Anwesenden in den sogenannten sozialen Netzwerken als »sensationell ehrlich« gefeiert. Zur Erinnerung: In Potsdam hatten sich Ende des Jahres Ultrarechte und Unternehmer getroffen, um über »Remigration« zu sprechen: wie man Millionen Ausländer und Deutsche mit ausländischen Wurzeln deportieren kann. Thurn und Taxis gab sich gegenüber ihrer Mittelbayerischen Haus- und Hof-Zeitung unbedarft: Sie kenne keine extrem Rechten.

Sie hatten das Bahnhofsmanagement konfrontiert, dass es demokratische Grundsätze verhöhne, sie dort auszustellen. Wie war die Reaktion?

Ende 2023 hatten wir gefordert, sie nicht als Aushängeschild für die Stadt zu verwenden. Da keine Reaktion erfolgte, erinnerte ich im Januar nochmals daran. Schließlich erhielt ich einen Anruf von der Bahn: Man beabsichtige umzugestalten. Ich bestand darauf, es schriftlich zu bekommen. Was aber nicht erfolgte.

Ermöglicht es der Kapitalismus, dass extrem rechte Personen sich in der BRD einen aus demokratischer Perspektive unangemessen großen Einfluss sichern können?

Allerdings. In Regensburg wird alles versucht, Thurn und Taxis in gutem Licht darzustellen, als Prominente der A-Klasse zu feiern. Alles, was einen Schatten auf sie werfen könnte, wird unterschlagen. Zwar wird gesagt, es gebe Behauptungen, sie sei rassistisch; was sie genau sagt, aber wird nicht zitiert. In dieser Stadt geht es nur um Profite. Ob Menschen ihre Wohnung noch bezahlen können, ist völlig egal. Alles, was stören könnte, wird an den Rand gedrängt, so auch unser Bündnis.

Sie haben die rechten Machenschaften der Thurn und Taxis stets angeprangert. Mit Erfolg?

Künstlerinnen und Künstler distanzieren sich nach unseren Aufrufen von deren Schlossfestspielen. Die Band Revolverheld verdeutlichte, mit ihren Werten nicht übereinzustimmen. Andere Musiker traten mit Regenbogenarmbändern auf, zum Zeichen, dass sie queere Kultur schätzen. Am Sonntag veranstaltete die Initiative gegen rechts eine Demo, an der sich 400 Leute beteiligten.

Kurt Raster ist Sprecher des Bündnisses »Solidarische Stadt Regensburg«

change.org/Weg-mit-Gloria

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