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Aus: Ausgabe vom 25.03.2024, Seite 3 / Schwerpunkt
World Meteorological Organization

Versalzung des Wassers, Brände, Medikane

Extremwetterereignisse 2023: Mangelnde Vorsorge verschärft Folgen des Klimawandels
Von Wolfgang Pomrehn
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Nachdem Sturm »Daniel« über das Dorf Flamouli in der Nähe von Trikala in Griechenland hinweggefegt ist (7.9.2023)

Klimaveränderungen werden für die Menschen in vielfacher Hinsicht zum Problem. Mal schleichend, wie durch die Ausbreitung von Mücken und anderen Insekten und Spinnentieren – Zecken etwa –, die regional bisher unbekannte Krankheiten verbreiten, mal durch die Versalzung von Grundwasser aufgrund des steigenden Meeresspiegels. Viel öfter sind es allerdings die Extremereignisse, die nicht nur für die großen Schlagzeilen sorgen, sondern auch zur akuten Bedrohung werden.

Das in Hinblick auf Menschenleben verlustreichste Unwetter des vergangenen Jahres war nach Angaben der UN-Sonderorganisation World Meteorological Organization (WMO) der mediterrane Wirbelsturm »Daniel«. Sogenannte Medikane wie »Daniel« sind vergleichbar mit tropischen Wirbelstürmen, bisher seltener als diese, könnten aber in einem wärmeren Klima mit höheren Wassertemperaturen über dem Mittelmeer vermehrt auftreten. »Daniel« hatte Anfang September erst dem südlichen Balkan Rekordniederschläge gebracht – im am schlimmsten betroffenen griechischen Dorf nördlich von Athen fielen in fünf Tagen etwas über 1.000 Liter auf einen Quadratmeter, so viel, wie in Sachsen-Anhalt nicht in einem Jahr – und war dann langsam Richtung Süden nach Libyen gezogen. An dessen Nordostküste sorgte er am 10. und 11. September für enorme Niederschläge und in der Folge für schwere Überschwemmungen, die schließlich die Küstenstadt Derna zu großen Teilen verwüsteten. 4.700 Tote wurden dort gezählt und 8.000 weitere Menschen galten nach WMO-Angaben Mitte Dezember noch als vermisst. Die Regenfluten hatten zu zwei Dammbrüchen geführt, so dass sich eine Flutwelle über die Stadt ergoss. Die Dämme waren offensichtlich in einem schlechten Zustand und zeigten somit einmal mehr, wie die Folgen von Unwettern durch Versagen der Behörden und mangelnde Vorbereitung der Bevölkerung erheblich verschlimmert werden. Eine Erfahrung, die oft genug auch in reichen Ländern gemacht werden muss, wie etwa beim Julihochwasser 2021 in Belgien und Deutschland.

Was den wirtschaftlichen Schaden angeht, war 2023 Hurrikan »Otis« der Spitzenreiter, der auch in anderer Hinsicht herausragte. »Otis« wuchs am 24. Oktober vor der mexikanischen Pazifikküste innerhalb von nur neun Stunden zum Hurrikan der Kategorie 5 heran, das heißt zu einem der stärksten je beobachteten Hurrikane. Ein derartiges Entwicklungstempo, das die Vorwarnzeit minimiert, ist für Tropenstürme äußerst ungewöhnlich und war vermutlich das Ergebnis hoher Temperaturen der Küstengewässer. Einen Tag später – nahezu auf dem Höhepunkt seiner Intensität – traf er mit Windgeschwindigkeiten von 270 Kilometern in der Stunde und mehr auf die Küste in der Nähe Acapulcos. In der Stadt und der umliegenden Region entstand ein Schaden von 15 Milliarden US-Dollar. Mindestens 47 Menschen kamen ums Leben, 32 weitere werden vermisst.

2023 war auch ein Jahr der Hitzewellen und Waldbrände. In Kanada verbrannte der Bewuchs auf über 18 Millionen Hektar (180.000 Quadratkilometern), knapp dreimal so viel wie im bisherigen Rekordjahr 1995. Ende August / Anfang September wurden im Nordosten Griechenlands 93.000 Hektar Wald – eine Fläche etwas größer als Berlin – durch ein Feuer zerstört. Nach Angaben der WMO war das der größte je in der EU beobachtete Waldbrand.

Hitzewellen gab es unter anderem rund ums Mittelmeer. In zwei Dörfern auf Sardinien stieg das Thermometer am 24. Juli auf 48,2 Grad Celsius, was nur 0,6 Grad unter dem bisherigen, 2021 auf Sizilien gemessenen, europäischen Rekord lag. In der gleichen Hitzewelle wurden in Tunis (Tunesien) 49 Grad Celsius, in Tirana (Albanien) 43 und in Algier (Algerien) 49,2 Grad Celsius Tageshöchsttemperatur gemessen. Alles neue örtliche Rekorde. Was das für Menschen bedeuten kann, wird vielleicht an einem weiteren Rekord deutlich, der in Mailand aufgestellt wurde: Am 23. August betrug dort die über 24 Stunden, also Tag und Nacht, gemittelte Temperatur knapp 33 Grad Celsius. An Schlaf dürfte unter solchen Bedingungen für jene mit schmalem Geldbeutel, die keine Klimaanlage besaßen, kaum zu denken gewesen sein.

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