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Aus: Ausgabe vom 07.03.2024, Seite 9 / Kapital & Arbeit
Biodiversität

Die bedrohten Fische im Mekong

Vor dem Aussterben: Studie des WWF zum Artenreichtum im größten Strom Südostasiens
Von Thomas Berger, Manila
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Ly Van Bon züchtet Rotschwanzwelse in seinem Fischteich in Can Tho, der Hauptstadt der Mekong-Region (25.5.2022)

Ein großer Reichtum ist einer extremen Bedrohung ausgesetzt – so lässt sich eine Studie zusammenfassen, die der World Wide Fund for Nature (WWF) am Montag vorgelegt hat. Sie wurde gemeinsam mit zwei Dutzend Partnerorganisationen erarbeitet, und es geht darin um die Fische im Mekong, dem größten Strom Südostasiens. Der Fluss hat für alle sechs Anrainerstaaten – Laos, Thailand, China, Myanmar, Kambodscha und Vietnam – erhebliche Bedeutung, auch in wirtschaftlicher Hinsicht: Etwa 40 Millionen Menschen, so die Studie, sind ganz unmittelbar von der Fischerei entlang des Mekong abhängig. Der Fang hat einen jährlichen Gesamtwert von etwa elf Milliarden US-Dollar. Die Bedeutung der Fische im Mekong für die Ernährungssicherheit sei kaum zu überschätzen, schreibt Lan Mercado, Regionaldirektorin Asien-Pazifik beim WWF, in dem gut 50 Seiten umfassenden Bericht – zumal auch die industriellen Aquakulturen in Vietnam oder der Ökotourismus auf noch halbwegs intakte Umweltbedingungen angewiesen seien.

Nirgendwo auf der Welt gibt es eine vergleichbar große Binnenfischerei. Das liegt am großen Artenreichtum im Mekong und an der riesigen Zahl von Fischen. Die Studie führt 1.148 Arten auf. Rund ein Viertel davon hat in dem Strom ihr angestammtes Habitat und kommt sonst nirgendwo auf dem Globus vor. In puncto Biodiversität im Wasser wird der Mekong nur von Amazonas und Kongo übertroffen. Allerdings sind laut dem WWF-Papier, das den Titel »Mekong’s Forgotten Fishes« trägt, 19 Prozent der Arten vom Aussterben bedroht. Es handelt sich um die bisher umfassendste Studie dieser Art zu dem südostasiatischen Strom. Und um einen Weckruf: Es gilt, dem fortschreitenden Verlust des ­natürlichen Reichtums entschlossener als bisher entgegenzutreten und zu retten, was überhaupt noch zu retten ist.

Bei Fischwanderungen im Mekong seien im Jahr geschätzt fünf Milliarden Tieren unterwegs, heißt es in der Studie von Hauptautorin Kathy Hughes, die auf Recherchen vieler Experten und der beteiligten NGO zurückgreifen konnte.

Von »Juwelen und Giganten« ist mit Blick auf die unter Wasser anzutreffende Vielfalt die Rede. So gilt der Riesen-Süßwasserstechrochen (Urogymnus polylepis) als größter Süßwasserfisch der Welt. Er kann bisweilen die Dimension eines Kleinwagens erreichen. Das größte bisher vermessene Exemplar ging im Juni 2022 einem Forscherteam in Kambodschas Provinz Stung Treng ins Netz. Es hatte eine Länge von 3,98 Metern, einer Breite von 2,20 Metern und wog stolze 300 Kilogramm. Dazu kommen mehr als Tausend kleinere Fischarten. »Alles ist allerdings von der Gesundheit des Mekong abhängig – und dieser ist heutzutage ein Hotspot von Risiken und Gefahren«, heißt es in der Studie. Die Sandabbaggerung für die Bauindustrie sei nur eine akute Bedrohung des Ökosystems. Auch würden immer mehr Dämme errichtet, was Fließgeschwindigkeiten und Sedimenttransporte in gravierendem Ausmaß verändere. Dazu käme die Ausbreitung invasiver Arten und die Verschlechterung der Wasserqualität, etwa durch illegale Einleitungen. Durch all diese Eingriffe werde das fein austarierte Gleichgewicht im Fluss auf empfindliche Weise zerstört. Wegen der hochkomplexen Abhängigkeiten seien die Folgen kaum absehbar. Mindestens 74 Fischarten seien derzeit akut vom Aussterben bedroht, 18 davon »extrem gefährdet«.

So groß die Bedrohungen sind, die nie zuvor ähnlich umfassend und detailliert geschildert wurden: Es gibt nach Einschätzung des Autorenteams noch Grund zur Hoffnung und Möglichkeiten zu reagieren. Als wichtiger Schritt in die richtige Richtung wird ein Abkommen namens »Kunming-Montreal Global Biodiversity Framework« benannt. Es wurde Ende 2022 auch von den Mekong-Anrainerstaaten unterzeichnet und sieht vor, dass 30 Prozent der Binnengewässer unter Schutz gestellt werden.

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