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Aus: Ausgabe vom 08.03.2024, Seite 16 / Sport
Beim Fananwalt

Der polizeiliche Blick

Von René Lau
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Wiederholt war Thema dieser Kolumne, dass Fußballfans nicht die gleichen Rechte haben wie andere Bürger. Auch in vielen Gesprächen, die ich mit Richtern, Staatsanwälten oder auch Polizeibeamten führe, geht es immer wieder um diese Problematik. Oft genug werden meine Bedenken lächelnd abgetan. Als Fan würde ich den Wald vor lauter Bäumen nicht sehen oder einfach übertreiben. Dennoch sind mir auf den vielen Veranstaltungen in den vergangenen Wochen, auf denen ich Rechtstipps gegeben oder aus meinem Buch gelesen habe, von Fans aus den verschiedensten Ecken der Republik viele derartige Beispiele erzählt worden. Mehrfach ernteten die Berichte bei den anderen anwesenden Fans ein zustimmendes Kopfnicken.

Aber kaum etwas davon war so anschaulich wie das Beispiel, das ich letztes Wochenende selbst erlebt habe. Mein Herzensverein aus Hohenschönhausen war in der Regionalliga Nordost zu Gast beim Nachbarn in Babelsberg. Auch wenn ich zugeben muss, dass die Fanlager beider Vereine einander nicht gerade in inniger Freundschaft verbunden sind, ist die Beobachtung wohl nicht übertrieben, dass die Polizeikräfte aus Berlin und Brandenburg dieses Spiel stets als großangelegte Übung mit Wasserwerfereinsatz und Stadtteilabsperrung nutzen. So kam Team Blau auf die grandiose Idee, wirklich jedes von der Autobahn abfahrende Kfz mit Berliner Kennzeichen anzuhalten. So auch meins.

Von weitem sah ich schon ein Meer an blauen Uniformen, abgesperrte Straßen und aufgerüstete Polizisten. Ein Durchkommen war schlicht unmöglich. Der Beamte mit der Kelle in der Hand unterstellte mir, dass ich doch sicherlich zum Fußball wolle. Was der Beamte natürlich nicht wissen konnte, war, dass ich dieses Spiel immer auch zum Anlass nehme, einen Teil meiner in Babelsberg wohnenden Familie zu besuchen. Also gab ich ihm die Antwort: »Nein, ich möchte meine Familie in Babelsberg besuchen.« Das war ja auch nicht gelogen. Nur wollte ich sie eben nicht sofort besuchen, sondern erst nach dem Spiel. Der Beamte war erstaunt, schaute suchend ins Auto, wohl um Fanutensilien oder vergleichbare Hinweise zu finden. Aber erfolglos. Er schaute zwar fragend drein, konnte mir aber nichts entgegnen. In Sekundenschnelle war aus dem gemeingefährlichen Fußballfan aus Berlin ein friedliebender Bürger geworden, der nur eins wollte: an den Kaffeetisch der Familie.

Wie von Geisterhand durfte ich plötzlich alle Polizeisperren passieren und bis vors Stadion fahren, um dort einzuparken. Was wäre mit mir aber als »Fußballfan« geschehen? Vermutlich hätte ich nicht einmal in den Stadtteil Babelsberg einfahren dürfen und meinen Pkw weitab vom Stadion deponieren müssen. Ein langer Fußmarsch in Polizeibegleitung wäre zum Dessert noch hinzugekommen. Nur dank meiner überzeugenden Antwort wurde ich im Blick des Beamten zu einem ganz anderen Menschen: nämlich zu einem, den man nicht drangsalieren muss.

Soviel dazu, dass Fußballfans von Team Blau wie alle anderen Bürger behandelt werden.

»Sport frei!« vom Fananwalt.

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