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Aus: Ausgabe vom 24.02.2024, Seite 9 / Kapital & Arbeit
Fiktives Kapital

Glorreiche Spekulanten

Zwischen Realität und Börsenwert: Dominante US-Technologiekonzerne befeuern Hype – Blasenbildung inklusive
Von Klaus Fischer
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New Yorker Börse am Mittwoch: Microsoft, Nvidia und Co. befeuern US-Aktienmarkt

An den US-Börsen hält die Hitzewelle des Vorjahres an. Mitte der Woche legte Nvidia neue Zahlen vor. Demnach hatte das Technologieunternehmen aus dem Silicon Valley im zurückliegenden Quartal seinen Umsatz auf 22,1 Milliarden US-Dollar steigern können – dreimal so viel, wie im Vergleichszeitraum ein Jahr zuvor. Das ließ den Aktienkurs am Mittwoch um neun und am Donnerstag (Ortszeit) um weitere 16,4 Prozent nach oben schnellen. Und es befeuerte zugleich die Gewinnerwartungen der Anleger weiter.

Die Nvidia Corporation sieht anhand der meisten Zahlen eher wie ein durchschnittlicher Großkonzern aus. Das eher bei Computerspielern oder professionellen Grafikanwendern bekannte Unternehmen hat allerdings ein Alleinstellungsmerkmal, das bislang nur weiteren sechs Unternehmen zugesprochen worden ist: Es zählt zu den sogenannten Magnificent Seven, den Konzernen mit den höchsten Börsenwerten, die aktuell den US-Aktienmarkt dominieren. Mit knapp 30.000 Beschäftigten verzeichnete der Technologieentwickler (die Produktion hat Nvidia an andere Hersteller wie den Chipriesen TSMC ausgelagert) eher »normale« Werte. Beeindruckend sind allerdings die enormen Zuwächse – und vor allem die Erwartungen der professionellen Spekulanten.

Nvidia-Prozessoren sind nicht nur Spitze bei Grafikkarten für Spielefreaks, sondern haben sich als momentan unersetzbar beim neuesten »heißen Scheiss« im US-dominierten Börsenparadies entwickelt: dem Kampf um die Vorherrschaft bei der sogenannten künstlichen Intelligenz (KI). Dieser Prozess – mit noch ungewissem Ausgang – bedarf vor allem eines: Riesiger Rechenkapazitäten, um das vorhandene Wissen der Menschheit zu digitalisieren und für die »intelligenten« Maschinen anwendbar zu machen.

Hier liefern sich Alphabet (Google) und die aktuelle Nummer eins Microsoft einen harten Kampf. Auch Apple und Meta (Facebook usw.) setzen auf den KI-Hype, der vor allem zweierlei verspricht: riesige Gewinne und einen kostengünstigen Ersatz für bislang menschliche Arbeitskräfte. Das macht die fünf Digitalriesen unter den »glorreichen Sieben« der US-Börsen (zu denen noch Tesla und Amazon gezählt werden) zu wahren Giganten an spekulativem Reichtum. Selbst der vergleichsweise »kleine« Nvidia-Konzern bringt es derzeit auf einen Börsenwert von fast zwei Billionen (eng. »Trillions«) US-Dollar. Das entspricht in etwa der Jahreswirtschaftsleistung des G-20-Mitgliedstaates Brasilien 2022. Und fasst man die Marktkapitalisierung der Magnificent Seven zusammen (gut 13 Billionen US-Dollar), können von allen Staaten der Welt nur China und die USA ein höheres Jahresbruttoinlandsprodukt vorweisen.

Zwar soll man Äpfel nicht mit Birnen vergleichen. Doch schon diese Beispiele zeigen, dass im globalen US-dominierten Kapitalismus einiges völlig aus dem Ruder zu laufen scheint – vor allem, was die Differenz zwischen gegenwärtiger Realität und übertriebenen Erwartungen des fiktiven Kapitals betrifft. Die USA haben mit dem Inflation Reduction Act 2022 ihren Konkurrenten auf der Weltbühne verschärfte Bedingungen im globalen Wirtschaftskrieg diktiert. Mit Subventionen und politischem Druck versuchen sie, Unternehmen aus den im Abwärtstrend befindlichen »befreundeten« EU-Staaten abzuwerben. Gleichzeitig etabliert Washington immer mehr Hindernisse gegenüber dem Hauptkonkurrenten China. All das verschafft dem ansonsten nicht mit grandiosen Wachstumszahlen glänzendem US-Dollar-Imperium (der IWF rechnet mit 2,1 Prozent plus) Vorteile.

Die Nachteile werden gerne im Kleingedruckten versteckt: Experten warnten bereits im Vorjahr vor einer Überhitzung und einem durchaus möglichen Crash – der dem Platzen der Dotcom-Blase (2001) und die Finanzkrise 2008 kaum nachstehen dürfte. Zumal die USA globalstrategisch auf des Messers Schneide balancieren: Der Wirtschafts- und Stellvertreterkrieg gegen Russland läuft nicht so gut. Im Nahen Osten droht ein Flächenbrand. Und China erwartet trotz interner Probleme (Schuldenproblematik aus Immobilienblase) mit 4,6 Prozent immer noch ein deutlich höheres Wachstum als die USA.

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