Türkei: Klage gegen Bürgermeister Istanbuls

Istanbul. Der Istanbuler Bürgermeister Ekrem Imamoglu muss sich in der Türkei einem juristischen Verfahren wegen Aussagen im Zusammenhang mit den Bürgermeisterwahlen 2019 stellen. Dem Politiker der kemalistischen Partei CHP werde in der Anklageschrift vorgeworfen, die Mitglieder der Wahlbehörde in der Türkei öffentlich beleidigt zu haben, wie die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu am Freitag berichtete. Die Staatsanwaltschaft fordere bis zu vier Jahre Haft. Ein Istanbuler Gericht habe die Anklageschrift am Freitag angenommen. Imamoglu selbst habe die Vorwürfe im vorangegangen Ermittlungsverfahren von sich gewiesen, hieß es in dem Bericht. Er habe sich nicht gegen eine Person geäußert, sondern »harte politische Kritik« geübt, zitierte Anadolu den Bürgermeister. Laut der regierungsnahen Zeitung Sabah hatte er die für die Annullierung der Bürgermeisterwahl vom März 2019 Verantwortlichen als »dumm« bezeichnet. Die Aussagen sollen Anadolu zufolge auf einer Pressekonferenz im November 2019 gefallen sein.
Imamoglu hatte die Bürgermeisterwahl knapp vor seinem Gegner, dem ehemaligen Ministerpräsidenten Binali Yildirim von der islamistischen AKP, gewonnen. Die Wahlkommission annullierte das Ergebnis jedoch auf Antrag der AKP und ließ die Wahl im Juni wiederholen – Imamoglu gewann erneut. Imamoglu gilt als möglicher Herausforderer von Staatschef Recep Tayyip Erdogan bei den für 2023 geplanten Präsidentenwahlen.
Auch gegen die populäre Istanbuler CHP-Vorsitzende Canan Kaftancioglu haben die Anwälte Erdogans Klage eingereicht. Erdogan habe sie auf eine Entschädigung von 500.000 türkische Lira (etwa 48.000 Euro) verklagt, weil Kaftancioglu ihn auf einer Pressekonferenz im Januar im Rahmen der Bogazici-Proteste beleidigt habe. Sie habe Erdogan als »die Person, die den Präsidentschaftssessel besetzt« bezeichnet. Die Annahme der Anklageschrift steht noch aus. Studierende der renommierten Bogazici-Universität protestieren seit Anfang des Jahres gegen die Einsetzung eines neuen Rektors durch Erdogan. Sie fordern die Besetzung des Postens auf dem Wege einer Wahl. (dpa/jW)
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