Gegründet 1947 Freitag, 26. April 2024, Nr. 98
Die junge Welt wird von 2751 GenossInnen herausgegeben
Online Extra
31.01.2020, 19:21:31 / Feuilleton

Berlinale von Vergangenheit eingeholt

Alfred Bauer auf dem Flughafen Tempelhof, Juli 1971
Alfred Bauer auf dem Flughafen Tempelhof, Juli 1971

Berlin. Die Berlinale will einen Bericht der Wochenzeitung Zeit prüfen lassen, nach dem der erste Direktor des Festivals, Alfred Bauer, von 1942 bis zum Kriegsende an hoher Stelle in der Filmbürokratie der Nazis beschäftigt war. Später erklärte sich Bauer erfolgreich zum Antifaschisten.

Man nehme die Angaben aus den Dokumenten im Berliner Landesarchiv »sehr ernst«, erklärte Berlinale-Chef Carlo Chatrian am Freitag gegenüber Zeit Online, und werde deshalb »noch Zeit brauchen, um tiefergehende Recherchen anzustellen«. Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) versicherte gewissermaßen als Hauptsponsorin des Festivals: Sollten die »für uns alle neuen Erkenntnisse sich erhärten«, werde es »keinen nach Alfred Bauer benannten Preis mehr geben«. Der Fall zeige, »dass uns unsere Vergangenheit immer wieder einholt«.

Seit den 1980er Jahren wurde auf dem Festival ein »Alfred Bauer Preis« für neue Perspektiven in der Filmkunst vergeben, zuletzt im vergangenen Jahr an Nora Fingscheidt für ihr Werk »Systemsprenger«, zuvor etwa an Andrzej Wajda und Alain Resnais, den Regisseur des ersten Dokumentarfilms über die Vernichtungslager der Nazis, »Nacht und Nebel« (1955).

Bauer war 1942 als »eifriger SA-Mann«, dessen »Einsatz für Staat und Bewegung« nichts zu wünschen übrig ließ, in die von Goebbels als zentrales Steuerungsorgan eingerichtete Reichsfilmintendanz aufgestiegen und hatte dort bis Kriegsende auch mitentschieden, welche Filmschaffenden in die Rüstungsproduktion oder an die Front mussten. (dpa/jW)

Mehr aus: Feuilleton