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Aus: Ausgabe vom 02.09.2017, Seite 16 / Aktion
Frauenbewegung

Den Versuch wert

Meredith Tax über Frauen im kurdischen Freiheitskampf
Von Claudia Wangerin
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Trauerdemo für die ermordeten kurdischen Politikerinnen Fidan Dogan, Leyle Söylemez und Sakine Cansiz (v. l. n. r.) im Januar 2013 in Paris

Meredith Tax, geboren 1942, gehört seit Jahrzehnten zum kapitalismuskritischen Flügel der Feministinnen in den USA. Welche Rolle Frauen in der kurdischen Freiheitsbewegung seit den 1990er Jahren spielen, war der Autorin lange Zeit nicht bewusst. Erst 2014, als die Verteidigung der überwiegend von Kurdinnen und Kurden bewohnte Stadt Kobani in Nordsyrien gegen die Terrormiliz »Islamischer Staat« weltweit Schlagzeilen machte und, wie Tax schreibt, Medien »die fotogenen jungen weiblichen Guerillakämpferinnen entdeckten«, wurde sie hellhörig und begann intensiv zu recherchieren. Herausgekommen ist das Buch »Auf einem unwägbaren Weg: Die Frauen im kurdischen Freiheitskampf«.

Die Frage, wie es dazu kommen konnte, dass in der patriarchal geprägten Region heute ein Selbstverwaltungsgebiet existiert, in dem alle politischen Gremien zu mindestens 40 Prozent aus Frauen bestehen, führte Tax zunächst in die Türkei. Dort hatte sich 1978 die Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) gegründet – ein anfangs überschaubarer Zirkel um Abdullah Öcalan, der später das heute in der demokratischen Föderation Nordsyrien/Rojava praktizierte Konzept der »demokratischen Autonomie« vorschlug. Innerhalb weniger Jahre konnte die PKK in den kurdischen Gebieten der Türkei die Sympathie großer Bevölkerungsteile gewinnen. Bereits 1984 nahm sie dort den bewaffneten Kampf auf, dem sich bald auch Frauen und Mädchen anschlossen – teils ehemalige Studentinnen, die in den Städten politisch aktiv gewesen waren, aber auch Bauerntöchter, die der Zwangsheirat entgehen wollten.

1995 beschloss die PKK, eine eigene Frauenarmee zu gründen. Meredith Tax zeichnet nach, welche Herausforderungen im Umgang mit alten Verhaltensmustern zu diesem Schritt führten, und stellt Lebensläufe weiblicher Führungspersönlichkeiten wie der 2013 in Paris ermordeten Sakine Cansiz vor. Ob es gelingt, in Rojava dauerhaft eine geschlechtergerechte, demokratische Autonomie durchzusetzen, ist nach Meinung der Autorin offen. Sie macht aber im Schlusswort deutlich, dass es aus ihrer Sicht den Versuch wert ist, wenn sonst nur globaler Kapitalismus und eine islamische Theokratie zur Auswahl stehen.

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