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Aus: Ausgabe vom 07.05.2016, Seite 11 / Feuilleton

Shakespeare – Für die Gasse und den Hof, Vierter Akt: Die Sonette

Von Hagen Bonn

The Dark Lady« muss ein heißer Feger gewesen sein, unser Wilhelm Schüttelbier schrieb ihr recht gern in Sonettform. Also 14 Zeilen mit jeweils festgelegtem Betonungsmuster und mit Reimpärchen. Da wir fast gar nichts über Shakespeare wissen, bleibt auch die verruchte Dame unbekannt.

Was wird eigentlich, fällt mir dabei ein, aus meinen eigenen Liebessonetten? Wer geht nach meinem Ableben zu all den Damen und bittet um Rückgabe der parfümierten Blätter? Was werden deren Ehemänner dazu sagen? Ziehe ich selbst noch los? Andrea, Manuela, Christiane und Anne finde ich blind. Aber wo wohnen Silke, Hanna und Kathleen? Mal abgesehen von den vergessenen Namen.

Hat Bill die Sonette gar nicht weggeschickt? War er im Kopierladen an der Ecke? SMS wohl kaum. Shakespeare ist und bleibt ein Rätsel!

Natürlich hassen wir ihn wegen der Liebesbriefe, denn jede Zeile nach ihm ist ein Plagiat. Ich glaube, es war Miriam; ich hatte die halbe Nacht an ihrem Sonett geschnitzt (mein Reim auf »Liebe« war »Hiebe«), und sie antwortete per SMS (!): »Danke für den Shakespare. Vergiss morgen die DVD nicht.« Vier Wörter für mein Gedicht, das nicht von mir sein sollte, und fünf Wörter für die DVD (»Der Schlitzer«, Teil 4). Wir waren dann noch zwei Wochen zusammen.

Der Dichter hat gar nicht gedichtet, der hat seine Figuren von der Gasse geholt. Und die Lebenslagen dazu. Von wegen, die Bibel habe recht, sei ein Leitfaden für alle Fälle. Mir hat noch keine Frau einen Apfel geschenkt, ich musste nie bei Starkregen eine Arche bauen; bei mir wurde aus Wasser, trotz verzweifelter Versuche, nie Wein. Und ans Kreuz genagelt wurde ich auch nicht. Gott sei Dank!

Gut, ich habe ab und zu Kreuzschmerzen, und sage öfter Sachen wie: Heilige Scheiße! Aber sonst ist mir die Bibel egal. Doch Shakespeare? Der ist realistisch und nett! Daher auch: Sonett. Hier vier Verse (mit jeweils fünf Betonungen) vom Meister an die angebetete Lady (aus Sonett Nr. 18, Übersetzer: Bodenstedt, Betonung: der Autor):

»Nie aber soll Dein ewiger Sommer schwinden,
Die Zeit wird Deiner Schönheit nicht verderblich,
Nie soll des neidischen Todes Blick Dich finden,
Denn fort lebst Du in meinem Lied unsterblich.«

Montag: Fünfter und letzter Akt – »Ein Sommernachtstraum«