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Aus: Ausgabe vom 09.03.2016, Seite 10 / Feuilleton

Zwei plus zwei ist fünf

Von Reverend Christian Dabeler

Donald Trump fordert öffentlich im Wahlkampf Waterboarding und Schlimmeres von seinen zukünftigen Soldaten. Sie sollen Kinder von Terroristen töten. Hierzulande wird gefordert, an den Grenzen auf Flüchtlinge zu schießen. Das tut man gerne in die Schublade des Hirnverbrannten. Aber dieses Gewäsch hat immense Wirkung. Ohne diese vorbereitenden Speerspitzen der Faschisten und Rechtsaußen, wäre das neue »Asylpaket II« nicht möglich gewesen. Nicht mal denkbar. Es ist immer das gleiche: Man fordert Unmöglichkeiten, die können auch kopfschüttelnd belächelt werden, senkt damit die Toleranzgrenze für das Machbare, und nähert sich dem einst Unmöglichen langsam, aber immer weiter an. So wird auf dem Marktplatz gehandelt, und so wird Politik gemacht.

Dass dabei auch elementare Vereinbarungen der Vergangenheit über Bord gehen, fällt kaum auf. Und wenn, wird das mit angeblichen Notwendigkeiten begründet. Menschenrechte, Genfer Konvention, Flüchtlingsstatus und Seerecht sind de facto von der EU außer Kraft gesetzt und im Grunde abgehakt. All die Versuche des 20. Jahrhunderts eine menschlichere Welt zu schaffen – Makulatur. Es wird angeblich eng und knapp, und nun werden auch alle Mittel der Verteidigung und des Raubes wieder legitim.

Lang hielt sich die These eines angeborenen universellen Egoismus, allenfalls überwindbar durch menschliche Vernunft. Vor knapp zwei Wochen war nun auf Arte zu erfahren, dass Gegenteil sei genauo richtig. Altruismus und Empathie sind als Formen der Liebe ebenso angeboren. Neurologen, Hirn- und Primatenforscher schaffen es natürlich, phantasielos und unpoetisch wie sie nun mal sind, das in einem rationalen, pragmatischen Zusammenhang zu sehen. Deshalb gibt es Meditationsstunden in Problemschulen.

Kein Wunder, dass auch Ökonomen auf diese Studien aufmerksam geworden sind. Mir hat das mal wieder den Tag komplett verhagelt. Können die Froschsezierer mit ihren Denkberechtigungsscheinen nicht wenigstens die Liebe, Mitleid und Empathie unkommentiert den Spinnern und Idioten, Naiven und Minderbemittelten überlassen?

Ich werde daher versuchen, heute einen höchst unvernünftigen Tag zu begehen. Einen Zwei-plus-zwei-ist-fünf-Tag. Vielleicht bringe ich einfach nur meinem Hundchen ein sinnloses Kunststück bei. Ja, ja, ich weiß schon: Das fördert garantiert die Sozialhygiene zwischen Mensch und Tier, das entspannt mich; dann bin ich morgen auch wieder leistungsfähiger. Bla, bla, bla ...

Aber wer mir morgen erklären will, warum mein verrückter Hund so ein verrückter Hund ist, der sollte mich auch gleichzeitig an die Genfer Konventionen erinnern – zu seiner eigenen Sicherheit.

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