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Aus: Ausgabe vom 23.05.2015, Seite 11 / Feuilleton

In die Rente

Von Dusan Deak

Der Weg in die Rente wird komplizierter. Glaubt man den Eltern und Großeltern, war es in naher Vergangenheit üblich, die Schule abzuschließen, einen Beruf zu erlernen, Familie zu gründen, 30 bis 40 Jahre geregelter Arbeit nachzugehen (mit ein paar Weltkriegen zwischendurch), und wenn es soweit war, den Lebensabend im verdienten Ruhestand zu verbringen.

Das hat sich grundlegend verändert.

Manche (wie ich) schaffen es ohne Umwege (mit den üblichen psychosomatischen Begleiterscheinungen und Therapieunterbrechungen) von der Pubertät direkt in die Rente. Andere wiederum stellen fest, dass alles falsch läuft und beginnen mit 75 endlich erwachsen zu werden und Verantwortung zu übernehmen. Sie erfahren (meistens von guten Freunden), dass sie im falschen Körper leben, den falschen Partner geheiratet und die falschen Kinder erzogen haben und besser in der Savanne als Schamane arbeiten sollten (die Umschulung wird in der Regel vom Jobcenter bezahlt).

Auf der Suche nach dem Lebens-(Un)Sinn lassen sie sich scheiden, beginnen eine Tischlerlehre, werden TantramasseurInnen oder Biobauer, und wenn sie Pech haben, begegnen sie unterwegs (im schlimmsten Fall) sich selbst. Hier sind der Phantasie leider keine Grenzen gesetzt.

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