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Aus: Ausgabe vom 11.11.1997 / Ausland

Präsident Venezuelas moralischer Verlierer

Vorstoß auf Ibero-Amerika-Gipfel gegen Pressefreiheit ohne Erfolg

Präsidenten haben nicht viel Zeit, nicht einmal für Gipfeltreffen in der Karibik. Die Mandatsträger aus Brasilien, Peru, Paraguay und Uruguay verließen das Stelldichein der spanischen, portugisischen und der 21 lateinamerikanischen Regierungen schon nach 24 Stunden. Deswegen unterzeichneten sie die Abschlußerklärung schon am Samstag abend, ohne den Text jedoch zu veröffentlichen.

Moralischer Verlierer des siebenten Iberoamerikanischen Gipfels ist der venezolanische Gastgeber Rafael Caldera. Er hatte in Vorfeld dafür geworben, ein »Recht auf wahrheitsgemäße Berichterstattung« im Abschlußdokument festzuschreiben. Journalistenverbände kritisierten diesen Vorschlag als Eingriff in die Pressefreiheit, da er ihrer Meinung nach darauf zielte, Recherchen über Korruption und Enthüllungsstorys zu kriminalisieren. Der jetzt erstrittene Kompromiß betont laut Diplomaten »das Recht der Bürger auf freie und wahrheitsgemäße Information ohne Zensur und Restriktionen«. Von Calderas Ansinnen, rechtliche Schritte gegen Berichte, deren Wahrheitsgehalt nicht eindeutig erwiesen sei, zu empfehlen, ist demnach nicht viel übrig geblieben. Öffentliche Unterstützung hatte er lediglich seitens der Präsidenten von Guatemala, Alvaro Arzú, und Costa Rica, José María Figueres, erhalten. Einen Achtungserfolg konnten die rund hundert anwesenden Nicht- Regierungs-Organisationen (NRO) in Sachen Menschenrechte erzielen. Ihr Sprecher Juan Navarette betonte, daß die im Entwurf vorgesehene Unterscheidung in politisch-zivile Menschenrechte einerseits und ökonomisch- soziale-kulturelle Bürgerrechte andererseits darauf hinausliefe, die Verantwortung der Staaten für Wohlergehen und die Ausbildung der Armen zu untergraben. Diese von einigen Präsidenten unterstützte Kritik fand Eingang in das Abschlußdokument: Die Regierungen betonen nun »die Aufgabe des Staates, die Gültigkeit aller Rechte der Bürger zu garantieren«. Die Menschen- sowie wirtschaftliche Rechte seien universell.

Daß diese Gipfelerklärung kaum mehr als ein Lippenbekenntnis ist, zeigt freilich das Sammelsurium guter Absichten. Die Abschaffung von Armut und der Benachteiligung der Frauen und Indigenas in den eigenen Ländern wird ebenso betont wie die Verurteilung von Antipersonenminen, der Besetzung Osttimors und der britischen Präsenz auf den Malvinen und Gibraltar.

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