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Aus: Ausgabe vom 25.10.1997 / Ausland

Hopp will Colonia Dignidad reinwaschen

Chef der chilenischen Deutschen-Siedlung widersprach Medien

Der derzeitige Chef der Colonia Dignidad, Hartmut Hopp, hat die Vorwürfe gegen die umstrittene Deutschen-Siedlung in Chile erneut zurückgewiesen. Presseberichte über politische Gefangene aus der Zeit der Militärherrschaft, die bis heute dort festgehalten würden, beruhten auf reiner Phantasie, sagte Hopp am Donnerstag im Gespräch mit der Nachrichtenagentur AFP. Der chilenischen Regierung warf er vor, die nahe der Provinzstadt Parral lebende Gemeinschaft von 300 Deutschen »unerbittlich« zu verfolgen, obwohl sie über keinerlei Beweise für die behaupteten Verbrechen verfüge. Die Justiz ermittelt gegen Siedlungschef Paul Schäfer und andere Verdächtige unter anderem wegen Kindesmißbrauchs und Ermordung von Gegnern der früheren Militärdiktatur. Schäfer tauchte bei Beginn der Untersuchung unter und betraute seinen Stellvertreter Hopp mit der Leitung der Siedlung.

Die Ermittlungsverfahren und wiederholten polizeilichen Durchsuchungen beeinträchtigten das Leben in der Siedlung nicht, versicherte Hopp. Viel schlimmer sei das öffentliche Aufheben, das um die Vorwürfe gemacht werde. In Ermangelung von Beweisen habe die Regierung der Presse bewußt falsche Informationen zugespielt. Dazu rechnete Hopp Mutmaßungen, das Vorgehen der Justiz könne zu einem Kollektivselbstmord der Bewohner führen. »Derartige Behauptungen stammen aus einer Phantasiewelt, die ich wirklich nicht verstehen kann«, sagte Hopp. Auch den Vorwurf, während der Diktatur ein Konzentrationslager betrieben zu haben, habe die Gemeinschaft seit Jahren immer wieder bestritten.

Angehörige verschwundener Diktaturopfer wollen am Sonnabend vor der Siedlung für die Aufklärung von Angaben demonstrieren, es würden dort noch überlebende politische Gefangene als Zwangsarbeiter festgehalten. Zu der Demonstration würden Teilnehmer aus dem ganzen Land erwartet, sagte eine Sprecherin am Donnerstag in Parral. Dort hatte eine Lokalzeitung am Vortag unter Berufung auf einen Zeugen berichtet, in der Colonia Dignidad lebten noch etwa 70 Gegner der früheren Diktatur. Der Zeuge hat nach eigenen Angaben Beweise für diese Behauptung, die er aber zunächst nicht vorlegte. Die Polizei habe ihn zu zweitägigem Stillschweigen verpflichtet, sagte er.

(jW/AFP)