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Aus: Ausgabe vom 15.05.2013, Seite 3 / Schwerpunkt

»Ankara ist ­unglaubwürdig«

Die von der türkischen Regierung in die Welt gesetzte Behauptung, für die Anschläge in der Grenzstadt Reyhanli am vergangenen Samstag seien linke türkische Gruppen verantwortlich, ist »absolut unglaubwürdig«. Das erklärte Günter Meyer, Nahost-Experte an der Universität in Mainz, am Montag im Deutschlandfunk. »Denen zu unterstellen, daß die ausgerüstet worden sind vom syrischen Geheimdienst, würde bedeuten, daß Damaskus ein Interesse an einem Bombenanschlag hier hat. Aber genau das ist nicht der Fall!« Für Damaskus wäre es »absolut kontraproduktiv«, sich mit Ankara anzulegen, »denn das sind genau die Signale, auf die die Aufständischen, auf die die Opposition wartet, um ihren Druck im Hinblick auf Waffenlieferung und Flugverbotszone zu stärken«, so Meyer weiter. Die türkische Führung wiederum versuche mit den Androhungen von »Gegenschlägen« auf Syrien die NATO-Staaten vom Bündnisfall zu überzeugen.

Auch die Behauptungen Erdogans in einem NBC-Interview, der türkische Geheimdienst habe die Reste von mehr als 200 Geschossen gefunden, an denen sich Sarin-Gasreste befänden, und diese seien von seiten Syriens eingesetzt worden, hält Meyer für unglaubwürdig. Wenn diese 200 Geschosse zum Einsatz gekommen sein sollten, wären sie Massenvernichtungswaffen gewesen. »Es hätte Hunderte, Tausende von Toten gegeben, wenn tatsächlich das Regime diese Waffen eingesetzt hat«, so Meyer im Deutschlandfunk weiter. Davon könne überhaupt nicht die Rede sein. »Es hat einen Vorfall gegeben, wo etwa 15 Tote in einer Siedlung nördlich von Aleppo festgestellt worden sind, aber das ist eine Siedlung, die auf seiten des syrischen Regimes stand. Es leben dort Schiiten, die von den sunnitischen Dschihadisten und Rebellen angegriffen werden.« Die Strategie, Damaskus Giftwaffeneinsatz zu unterstellen, ziele nur darauf ab, Eingreifen in Syrien zu rechtfertigen. (jW)