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Aus: Ausgabe vom 17.10.1997 / Ausland

Ölkonzerne führen in Kongo den Tanz an

Denis Sassou Nguesso erklärte sich in Brazzaville zum Präsidenten

Nach dem Siegeszug seiner Truppen in Kongo (Brazzaville) hat der neue Machthaber Denis Sassou Nguesso die Bildung einer »Regierung der nationalen Einheit« angekündigt. Der Bürgerkrieg sei für seine Truppen beendet, da sie die Kontrolle der Hauptstadt Brazzaville und des Wirtschaftszentrums Pointe-Noire übernommen hätten, sagte er am Donnerstag im französischen Auslandssender Radio France Internationale (RFI) in Paris. Der entmachtete Präsident Pascal Lissouba betrachtete sich aber in einem Interview mit demselben Sender weiter als Staatschef seines Landes. Er dementierte Informationen, er habe sich ins Ausland abgesetzt. Die neue Regierung werde für eine »Übergangszeit« im Amt bleiben, an deren Ende es demokratische Wahlen geben werde, sagte Nguesso. Lissouba wies die Amtsansprüche Nguessos zurück und erklärte, laut Verfassung könne er die Macht nur an einen gewählten Präsidenten abgeben. Lissouba hatte seinen Amtsvorgänger Nguesso bei den ersten freien Präsidentschaftswahlen des Landes 1992 an den Urnen geschlagen. Seither war es immer wieder zu Rivalitäten gekommen.

Frankreich gestand das Scheitern der internationalen Diplomatie in Kongo und kündigte Gesprächsbereitschaft mit Kongos neuem Mann an. Ohne Angola ausdrücklich beim Namen zu nennen, bedauerte der UN-Sicherheitsrat die »Einmischung des Auslands« in den Bürgerkrieg in dem zentralafrikanischen Land. Die Regierungstruppen des Nachbarlandes hatten die Milizen Sassou Nguessos unterstützt und damit den Ausgang der Kämpfe entscheidend beeinflußt. Die Regierung in Luanda, die bereits zugunsten von Laurent-Desire Kabila im ehemaligen Zaire eingegriffen hatte, wollte damit nach Beobachtereinschätzung den Frieden an seinen Grenzen vor allem aus wirtschaftlichen Gründen sichern: In der angolanischen Exklave Cabinda lagern reiche Erdölvorkommen, und in der nordöstlich gelegenen Provinz Lunda del Norte will Angola Diamanten schürfen.

Der französische Mineralölkonzern Elf-Aquitaine spielt in dem Konflikt offenbar eine große Rolle. Elf hat sowohl im Kongo als auch in Angola fast die gesamte Förderung in der Hand. Manche gehen so weit zu glauben, daß Elf-Aquitaine am Ausgang des fünfmonatigen Konfliktes nicht ganz unbeteiligt ist. Derartige Vorwürfe werden von dem Unternehmen zurückgewiesen. »Es gibt keine Parteinahme des Hauses«, heißt es bei dem Konzern. Dennoch steht beim Öl für alle Beteiligten viel auf dem Spiel. Kongo bestreitet 60 Prozent seines Staatshaushaltes mit den Einnahmen aus dem schwarzen Gold. Elf-Aquitaine ist mit der Förderung von 7,1 Millionen Tonnen bei einer Gesamtproduktion von 10,3 Millionen Tonnen der wichtigste Ölproduzent des Landes. Insbesondere beutet der Konzern das gigantische Ölfeld von Nkossa vor der Küste aus. Weitere riesige Vorkommen wurden erst vor kurzem unter dem Meeresboden entdeckt - sie weckten naturgemäß Begehrlichkeiten bei der Konkurrenz.

Stark präsent ist Elf auch in Angola, wo französische Geologen jüngst ebenfalls neue große Vorkommen entdeckten. Eine Tatsache, die nach Überzeugung mancher Ölspezialisten das Eingreifen angolanischer Soldaten an der Seite der Truppen Sassou Nguessos bei den Kämpfen um die Hafen- und Industriestadt Pointe-Noire erklären könnte. »Elf, das mit der italienischen Agip verbündet ist, führt in Kongo den Tanz an. Und Sassou Nguesso ist der Mann Elfs und der Franzosen«, sagt ein Experte.

Der gestürzte Präsident Pascal Lissouba habe bei seinem Amtsantritt vor fünf Jahren einen schwachen Versuch gemacht, die Dinge zu ändern und den französischen Einfluß zurückzudrängen. Angesichts der Schulden Kongos gegenüber dem Konzern habe er aber schnell einsehen müssen, »daß Elf ihn an der Kehle gepackt hat«. Seit Beginn des Konflikts hatte Lissouba Frankreichs Präsident Jacques Chirac und Elf vorgeworfen, ihn im Stich gelassen zu haben.

(AFP/jW)