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Aus: Ausgabe vom 04.05.2013, Seite 3 / Schwerpunkt

Pressefreiheit

Der 3. Mai ist von der UNO zum Welttag der Pressefreiheit proklamiert worden. Carl von Ossietzky hatte in der Weltbühne am 29. März 1932 über »das Ende der Pressefreiheit« geschrieben:


Das offizielle Deutschland feiert Goethe, aber nicht als Dichter und Künder, sondern vornehmlich als Opium. Goethe als Betäubungsmittel, Goethe als künstlerisch ausgeführter Paravent zwischen Volk und Wirklichkeit. Die Spitzen eines halb faschisierten Staates feiern die Unendlichkeit des Geistes, infolgedessen findet wenig Beachtung, wie eifrig die Zensur grade jetzt daran ist, die Geister zu binden. Literatur, Presse, Film, Funk und bildende Kunst, sie alle können von der amtlichen Interpretation der durch die Verfassung garantierten Meinungsfreiheit ein mißtönendes Lied singen. (…)

Heute kann auf Grund der Notverordnung jedes Blatt auf Wochen und Monate verboten werden. Ein Verbot aber kann unter den jetzigen Verhältnissen kein Verleger auf sich nehmen, kein Redakteur verantworten. Denn eine Zeitung oder Zeitschrift, die ein privates Unternehmen ist und kein Parteiunternehmen, wird ruiniert, wenn sie für drei Monate von der Straße verschwindet. Sie wird niemals wiederkehren. Die deutsche Linkspresse befindet sich in einer ungeheuren Krise. Die wirtschaftliche Schrumpfung bedroht ihren Lebensboden. Die allgemeine Unfreiheit, die Furcht vor Beschlagnahmen und Prozessen nötigt sie, ihren geistigen Spielraum einzuengen und auf den besten Teil ihres Instrumentars zu verzichten. Heute wird das noch durch viel Lärm verdeckt, die Dynamik, wie gesagt, ist nicht verändert; noch immer riesige Überschriften, Bilder, groß aufgemachte Lokal- und Sportsensationen, Filmskandale und Baby Lindbergh. Aber eines Tages wird der Leser sich doch fragen, warum man ihm das Wichtigste und Bewegendste seiner Tage vorenthält, er wird fragen, warum seine Zeitung so langweilig geworden ist. (…) Es war in der muffigsten Reaktion des Vormärz, als der junge Karl Marx diese Bemerkung niederschrieb: »Man muß jede Sphäre der deutschen Gesellschaft als die Partie honteuse der deutschen Gesellschaft schildern, man muß diese versteinerten Verhältnisse dadurch zum Tanzen zwingen, daß man ihnen ihre eigene Melodie vorsingt!« (…)

Buchhinweis: Werner Boldt – Mitherausgeber der historisch-kritischen Ossietzky-Gesamtausgabe, hat mit »Carl von Ossietzky. Vorkämpfer der Demokratie« gerade eine Biographie über den Journalisten, Antifaschisten und Kriegsgegner vorgelegt. Erschienen im Ossietzky-Verlag, 820 Seiten, 34 Euro

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