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Aus: Ausgabe vom 14.02.2008, Seite 13 / Feuilleton

Eine Kugel am Tag

Die heutigen Kinder vom Bahnhof Zoo
Daniel (25) verbraucht viel Haargel, Mundspray, Deo... Und wenn mit Freiern was schiefgeht, »wo ich nie gedacht hätte, daß das schiefgehen könnte«, dann braucht er noch mehr Hygieneartikel. Einmal raucht er bei einem Freier zu Hause Heroin. Die beiden glotzen 9Live. Als Daniel nebenbei sagt, daß Tiere denken können, sieht der Freier das anders und rastet aus.

Wenn Daniel am Bahnhof Zoo in Berlin die Klos putzt, kommt manchmal Aileen (16) vorbei. Er ist oft »affig wie Fotze«. Auch sie drückt »eine Kugel am Tag«, hat »einen Baller- und einen Arztarm«. Aus ersterem holt keine Krankenschwester der Welt noch einen Tropfen Blut raus. Das wird im Dokfilm »Drifter« sehr deutlich.

Aileen hat Hepatitis und nimmt am Ende einen Zug in Richtung Finsterwalde, kehrt zu ihren Eltern zurück. Vorher verzweifelt sie an der Konkurrenz auf dem Straßenstrich: »Ficken für’n Zehner, so kommen die heute an.« Blasen mit Gummi für 30 Euro – das zahlt ihr keiner mehr. Die »Kanacken« hätten die Preise versaut. »Kanacken, das sind die Türken und Araber«, sagt Daniel. Sie aber meine die Polinnen, und die seien »normal«.


Zusammen ist Aileen, die als Minderjährige noch Anspruch auf die besseren Notunterkünfte hat, mit Angel (23). Als jemand den beiden ein freundliches »Die Kinder vom Bahnhof Zoo« hinterherruft, regt Angel sich auf. Aber was ist der Unterschied zu damals, 80er Jahre, Christiane F.? Die »City-Toilette« zum Beispiel, in der sich Angel nach der Abreise seiner Freundin einen Schuß setzt. Er will dann einen Brief von Aileen lesen, als die Durchsage kommt. »In zwei Minuten ist die Nutzungszeit abgelaufen. Die Tür öffnet dann automatisch.« (xre)

* »Drifter«, BRD 2007, Regie: Sebastian Heidinger, 82 min, Sektion: Perspektive Deutsches Kino, 16., 17.2.

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