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Leserbrief zum Artikel Aus für Berliner »Mietendeckel«: Alles muss man selber deckeln vom 16.04.2021:

Kapitaler Irrtum

Wann begreift Die Linke eigentlich (wieder), dass wir in einer kapitalistischen Klassengesellschaft leben und dass das Bundesverfassungsgericht ein politisches Gericht ist? Profitinteressen stehen auch in einer bürgerlich-parlamentarischen »Demokratie« nun einmal höher als das Wohl der Mehrheit der Gesellschaft. Absatz 1 von Artikel 14 Grundgesetz steht entsprechend vor Absatz 2. Diese Reihenfolge hat nicht nur eine juristische, sondern auch eine politische Bedeutung. Es ist doch eine absolute Illusion von »Salonsozialisten«, wenn sie glauben, sie könnten im Kapitalismus soziale Gerechtigkeit per Gesetz einführen. Ein solches Vorhaben muss scheitern. Der Überbau der kapitalistischen Gesellschaft, also Politik, Medien und Justiz, werden dafür sorgen. Man konnte die heutige Entscheidung vorausahnen, wenn man die Urteile des Bundesverfassungsgerichts in der Vergangenheit aufmerksam verfolgt hat: Das Bundesverfassungsgericht fällt nämlich nur dann anscheinend gerechte oder fortschrittliche Urteile, wenn auch die Kapitalistenklasse davon positiv betroffen ist. Ein tatsächlich gerechtes Urteil im Interesse von sozial Benachteiligten ist von ihm nicht zu erwarten, wie seine Urteilsfindung zum Beispiel in bezug auf die Hartz-IV-Gesetzgebung in den letzten Jahren gezeigt hat. Die Linke hat sich aufgrund von Selbstüberschätzung und fataler Fehleinschätzung der kapitalistischen Machtverhältnisse einen Bärendienst erwiesen und für sozial Benachteiligte, die jetzt ihre Miete nicht mehr bezahlen können, ein echtes Problem geschaffen. Der eingetretene politische Schaden ist noch gar nicht abzusehen. Wenn sie jetzt auf ein Projekt eines bundesweiten Mietendeckels setzt, treibt sie den Selbstbetrug nur weiter und macht sich endgültig unglaubwürdig. Die politische Strategie dieser Partei ist falsch. Sie hat nichts aus der Geschichte gelernt. Man kann dem Kapitalismus nur dann soziale Zugeständnisse abringen, wenn man eine tatsächliche Machtoption in der Hinterhand hat, dass man dem Profitstreben ein endgültiges Ende setzen kann. Jegliche Träumereien von »rot-rot-grünen« Bündnissen auf Bundesebene sollten jetzt ein Ende finden. Die Linke sollte als konsequente Oppositionspartei den Menschen jetzt besser wieder erklären, was eine kapitalistische Klassengesellschaft ist.
Sven Harmgart, Bernau
Veröffentlicht in der jungen Welt am 16.04.2021.
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