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Leserbriefe

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Leserbrief zum Artikel Desinformation: Moskau weist Vorwürfe zurück vom 10.03.2021:

Friedensengel war einmal

»Ihre Hingabe an die Freiheit und Ihr jahrzehntelanger Mut, die harten, aber notwendigen Entscheidungen zu treffen, haben die Welt zu einem sichereren Ort gemacht und sind weiterhin eine Quelle der Inspiration«, schrieb US-Präsident Joseph Biden zum 90. Geburtstag von Michail Gorbatschow (siehe »Zitat des Tages« vom 3.3.2021). Der neue US-Präsident ist also voll des Lobes über Gorbatschow. Es dürften noch einige andere in diese Hymne einstimmen. Wie geehrt sich der Jubilar dadurch fühlt, wissen wir nicht. Geht es eigentlich peinlicher, zynischer, mit mehr an Spott und Häme? Woran ist abzulesen und zu erkennen, dass die Welt in den vergangenen 30 Jahren ein sicherer Ort wurde, wie Biden behauptet? Gorbatschows Hingabe an die Freiheit, seine mutigen Entscheidungen hätten dieser Welt Quellen der Inspiration gegeben. Ohne Worte, können wir nur sagen. Nur Blinde, Gehörlose und Stumme können solches ohne Widerspruch hinnehmen. Bürgerliche Medien fallen in den gleichen Ton. Aus Russland sind kaum euphorische Ehrungen und Lobpreisungen zu hören, was wohl seine Gründe haben dürfte. Auffallend die höchste Wertschätzung des Westens von Gorbatschow, dass er die »marode Supermacht« zu Fall gebracht, den Kommunismus erledigt habe. Diese »Ehrlichkeit« können sich die westliche Welt und ihre Sprachrohre leisten, garniert mit Häme und Genugtuung. Dabei war, wer sich erinnert, das Größte, Wichtigste, Ehrenhafteste und Gefeiertste an Gorbi – Abrüstung, Vorleistung der Sowjetunion, Frieden, ewigen Frieden zu signalisieren. Entblößung und Auslieferung des Sozialismus, seine Wehrhaftigkeit preiszugeben, das sind dagegen die »Verdienste«, die an Gorbatschow immer und ausschließlich geschätzt wurden. Was aus dem vertrauensseligen Friedensangebot geworden ist, sehen und erleben wir. An den Friedensnobelpreisträger erinnert sich keiner mehr. Gorbi hat scheinbar aus Todfeinden Freunde für die Welt gemacht. Sogar rührende Männerfreundschaften begründet. Dass Politik vor allem Interessens- und Machtfrage ist, sehen wir heute an der Wiederkehr der neuen alten Todfeinde. Der Friedensengel und Ausverkäufer Gorbi war einmal, heute wird Putin zum Todfeind erklärt und gemacht.
Roland Winkler, Aue
Veröffentlicht in der jungen Welt am 11.03.2021.