Leserbrief zum Artikel Militarisierung: Absage an die Friedenspolitik
vom 11.02.2021:
Ungemütliche Aussichten
Das große Ziel der EU, ein Regimewandel in Russland, sei mit wirtschaftlichem Druck allein sehr schwer zu erreichen, so Gabriel Felbermayr vom Weltwirtschaftsinstitut in Kiel im Deutschlandfunk. Welche armselige Politik gegen Russland hat die EU denn sonst noch zur Verfügung? Ja, für einen Regime-Change in Russland, das große Ziel der EU, braucht es wohl andere Daumenschrauben. Das Nawalny-Komplott hat bereits ausgedient. Und ein Pussy-Riot-Event wird sich wohl kaum wiederholen. Die EU bewältigt die Covidkrise miserabel. Auch in der Schweiz müssen die Menschen noch unendlich auf Impfstoff warten. Serbien hat klug gehandelt, es verfügt über russischen und chinesischen Impfstoff und trägt damit dazu bei, dass die Wirtschaft wieder hochgefahren werden kann. Und die Menschen wieder freier atmen können. Die EU, mit Deutschland als potenter Wirtschaftsmacht und mit seiner so gerühmten geopolitischen »Mittellage«, zeigt sich je länger, je mehr außerstande, praktikable Lösungen für die in wirtschaftliche Not geratenen Betriebe anzubieten. Das ist nur eines der unzähligen Problemfelder, auf denen die EU und Deutschland mittendrin stecken. Kriege zur Ablenkung von innenpolitischen Desastern? Bleibt für Deutschland nur die militärische Option gegen Russland? Deutschland verspricht eine massive Aufrüstung, rekrutiert Jugendliche unter 18 Jahren, was gemäß der Kinderrechtskonvention der UNO verboten ist, verlängert die Auslandseinsätze, um die Seewege der Exportnation zu sichern – und ist auf dem Auge der Kriegsschuldfrage blind, zumindest was den ersten Weltkrieg betrifft. Keine guten Zeichen, sondern Zeichen, dass die Signale auf Konfrontation stehen. Allen scheint jedoch klar zu sein, dass Deutschland die Drehscheibe für militärische Einsätze darstellt. Ungemütlich.
Veröffentlicht in der jungen Welt am 12.02.2021.