Leserbrief zum Artikel Trumpismus: The Sound of Silence
vom 11.11.2020:
Falsche Einschätzung
Felix Bartels bringt in erfreulichem Unterschied zu vielen anderen Stellungnahmen dieser Tage stringente Argumente dafür, Joseph Biden für das kleinere Übel gegenüber Donald Trump zu halten. Allerdings betrachtet er zentral die allgemeine politökonomische Situation. Der Vergleich der beiden Übel erfordert meines Erachtens nach jedoch noch eine Analyse auf einer anderen Ebene. Biden und Trump gehören nämlich zu sehr verschiedenen Fraktionen des US-Monopolkapitals in konkreter technischer Hinsicht. Während Biden eher die Interessen der Hochtechnologiekonzene, besonders der IT-Branche, bedient, was sich im jüngsten Höhenflug von deren Aktien manifestiert, steht Trump mehr für die »alten« Industrien mit ihrem hohen Rohstoffbedarf und ganz direkt auch für die US-Ölindustrie mit ihrem »Fracking«. Was ist nun aus der internationalen, antiimperialistischen Sicht, also aus der Sicht der Entwicklungsländer, besser? Die armen Länder dieser Welt haben mangels Entwicklung oftmals nur ihre Rohstoffe, mineralisch oder agrarisch, die sie auf dem Weltmarkt verschleudern müssen, insbesondere das knapper werdende Erdöl. Trumps Leute wollen im Eigeninteresse höhere Rohstoffpreise. Unter Biden wird sich die Preisschere zuungunsten der »dritten Welt« weiter öffnen. Ich gestatte mit daher, Trump für das kleinere Übel zu halten – im Interesse von Angola, Algerien, Simbabwe, Namibia, Iran, Irak, Libyen, Russland, Korea (DVR) und vielen anderen, ja selbst von Venezuela, das unter Elliott Abrams schwer zu leiden hatte.
Veröffentlicht in der jungen Welt am 13.11.2020.