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Leserbrief zum Artikel Nawalny meldet sich vom Krankenbett vom 16.09.2020:

Operation »Krawalny«

Das absurde Theater des Wertewestens beleidigt die menschliche Intelligenz. Röttgen, Trittin und Maas beschimpfen die Zweifler an ihren absurden Beweisen und unterstellen ihnen Dummheit. Frau Merkel hat am 3. September bekanntgegeben, dass Alexej Nawalny (in Russland) mit dem chemischen Kampfstoff Nowitschok vergiftet worden sei. Bis zum 14. September um 10.54 Uhr war aber noch kein Befund bei den russischen Behörden eingegangen. Man kann den Fall wie folgt zusammenfassen: Klar ist nur, dass nichts klar ist – und der Fall Russland schadet. Man hat das Drehbuch des wirren Clowns aus London zum Skripal-Fall (des Doppelagenten, der nach seiner Ausreise aus Russland für vier NATO-Dienste weitergearbeitet haben soll) fast ohne Änderungen übernommen, also eine unverhohlene Verhöhnung des Völkerrechtes, der diplomatischen Ethik und des elementaren Anstandes. Die Probenanalyse im Referenzlabor der Schweizer Armee damals war ein Witz: Man wies dort den Kampfstoff »A-234« in tödlicher Konzentration nach, aber auch Spuren des NATO-Giftes »BZ«. Das soll zur »Qualitätskontrolle« des Labores beigegeben worden sein. Fühlen Sie sich da nicht auch verklapst? Tatort und Proben in Salisbury wurden also manipuliert. Bis heute wurde der Öffentlichkeit nicht mitgeteilt, um welches Gift es sich gehandelt hat. Bei allem, was über »A-234« bekannt ist, sind Vergiftungsbild, Anwendungshandling und Therapie in beiden Fällen nicht stimmig. Der Fall wiederholt sich also. Man könne den Russen nicht sagen, welches Gift es sei, sonst würden diese auf die Nachweismethoden schließen. Blöder geht es nun wirklich nicht. Dabei wäre ein Vergleich der Befunde wichtig, um auf Gift und Tatort zu schließen. In Moskau arbeitet man mit gleichwertigen hochauflösenden Geräten wie in München und nutzt die gleiche aktuelle US-NIST-Spektrum-Bibliothek. Oder sind die Russen dümmer als der Wertewesten?
Aber bei diesem »Sakralmord(versuch)« (Märtyrertod zum Erreichen politischer Aufmerksamkeit) geht es nicht um die Lokalwahlen in Russland, wie die Diskussion im Bundestag zeigte. Nach wenigen Minuten Empörung über den Giftmischer Putin ging es dann nur noch um »Nord Stream 2«.
Gestern wurde das erste Bild von Nawalny im Kreise seiner fröhlichen Familie nach dem Erwachen aus dem Koma veröffentlicht. Ein Kampfstoffexperte und Mitentwickler der Kampfstoffgruppe Nowitschok meinte dazu: Wenn wirklich eine Vergiftung vorlag, dann sicher nicht mit Nowitschok.
Heute nun ließ die Flaschennachricht die Geheimdienstoperation »Krawalny« zur Posse verkommen. Man kann nur immer wiederholen: Es ist beleidigend, für wie blöd uns die Bande hält.
Dr. Gerd Machalett, Siedenbollentin
Veröffentlicht in der jungen Welt am 19.09.2020.