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Leserbrief zum Artikel Porträt: EU-Patriotismus des Tages: Flaggenstolz-Gesetz vom 06.06.2020:

Die Flagge sinnvoll verwenden

Was man zu den §§ 90 a, (dem neuen) 90c und 104 StGB unbedingt erwähnen sollte: Am 22. August 1984 verbrannte Gregory Lee Johnson, ein Mitglied der (seinerzeit noch existierenden) Revolutionären Kommunistischen Jugendbrigade, in Dallas (Texas) die amerikanische Flagge zu den Worten: »Red, white and blue we spit on you.« (Statt »spit« hätte sich natürlich auch ein anderes Verb angeboten.) Nach einer Verurteilung zu einem Jahr Gefängnis ging Johnson zweimal in Revision, und der Fall landete schließlich vor dem Supreme Court, der gemäß dem 1. Verfassungszusatz das Verbrennen der Flagge ausdrücklich als Akt der freien Meinungsäußerung akzeptierte. Daraufhin verabschiedete der US-Kongress ein Gesetz (Flag Protection Act), das Flaggenverbrennen unter Strafe stellte. Aber 1990 kassierte der Supreme Court auch dieses Gesetz. Wieder mit fünf gegen vier Stimmen. Knapp, aber immerhin. Mehrmals noch versuchten Abgeordnete, ein entsprechendes Gesetz durch den Kongress zu bringen, stets ohne Erfolg. Wer wäre verwegen genug, auch deutschen Verfassungsrichtern soviel Mut und Vernunft zuzutrauen? Das Lächerliche am strafrechtlichen Schutz staatlicher Symbole ist, dass niemand zugeben will, wie sehr man es dabei – via Tabuisierung – mit albernem Magie- und Religionsersatz, mit einem plumpen Versuch der Heiligsprechung des Staates zu tun hat. Aber jetzt mal im Ernst: Was können Flaggen anderes, als (um mit Hölderlin zu sprechen) im Wind zu klirren? Man sollte es doch wirklich langsam wissen, dass der Nationalstaat ein Auslaufmodell ist, ergo Fahnen nicht mehr benötigt werden. Sie sind also übriggebliebener Müll von morgen. Und was geschieht mit Restmüll? Er wird verbrannt. Also ist das Verbrennen von Flaggen das Richtige. Q. e. d.
Andererseits: Man kann sie (jedenfalls meiner eigenen Erfahrung nach) auch sehr gut als Schuhputzlumpen verwenden. Das wäre also die zeitgemäße Ergänzung des alten Spruches »Schwerter zu Pflugscharen«: Flaggen zu Putzlappen.
Bernhard Schindlbeck, München