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Leserbrief zum Artikel Debatte zur Klimakrise: Die richtige Frage vom 25.05.2020:

Falsche Fragestellung

Interessant wäre gewesen, vom Rezensenten erfahren zu können, ob Konicz als das Zentrale am Kapital immer noch sein angebliches Wesen als »automatisches Subjekt« sieht und den Kapitalimus als »bislang wohl blutrünstigste Opferkult der Menschheitsgeschichte« (siehe heise.de/tp/features/Die-Prophezeiung-3363149.html?seite=all). Automatische Subjekte kann man kaum stillegen, ohne ihnen den Brennstoff zu entziehen, was angesichts ihrer Verfügungsmacht über die Produktionsmittel schwierig werden dürfte, denn die Inhaber der Arbeitskraft sind gezwungen, sich zu reproduzieren und dem Kapital die Arbeitskraft unter Wert zu verkaufen – und die Natur ist dem Zugriff des Kapitals ziemlich wehrlos ausgesetzt.
Oder ist Konicz mittlerweile dazu gekommen, Kapital als soziales Herrschaftsverhältnis zu analysieren, für das die Ausbeutung von Arbeitskraft und Natur wesentlich ist? Gegen solche Ausbeutung lässt sich immerhin Widerstand organisieren. Und das wird ja in vielen Ländern rund um den Globus auch getan. Von den landesweiten Streiks in Indien jeweils am 8. Januar 2019 und 2020 etwa über die Hafenarbeiterstreiks in Chile, Italien und Südafrika im letzten Jahr bis hin zum Widerstand gegen Staudammprojekte in Honduras oder den Tren Maya in Mexiko und so weiter.
Das »Management von Großunternehmen und Banken« ist doch nicht, wie der Rezensent referiert, in erster Linie dem »stummen Zwang kapitalistisch strukturierter Verhältnisse« unterworfen. Vielmehr folgt es den Erwartungen und Anweisungen der Eigentümer jener Großunternehmen und Banken, zu dessen Management es eingesetzt ist. Diese Erwartungen mögen zwar hinter verschlossenen Türen geäußert werden und damit für das Publikum unhörbar sein, sind aber ob ihrer Unhörbarkeit nur um so wirksamer.
Wer die Eigentümer des Kapitals nicht in den Blick nimmt, sondern sie hinter dem Vorhang eines »automatischen Subjekts« verschwinden lässt, der kann keine zutreffende Analyse der Verhältnisse liefern. Es wäre doch nicht dem »›fetischistischen Sachzwangsregime des Kapitals‹ die Stirn« zu bieten, sondern ganz profan der Ausbeutung von Arbeit und Natur.
Ob das Buch die Lektüre lohnt, muss ich daher bezweifeln, kann es jedenfalls anhand der Rezension nicht erkennen.
Andreas Riekeberg

Kommentar jW:

Lieber Andreas,

Du schreibst in Deinem Leserbrief: »Das »Management von Großunternehmen und Banken« ist doch nicht, wie der Rezensent referiert, in erster Linie dem ›stummen Zwang kapitalistisch strukturierter Verhältnisse‹ unterworfen.«

Ich muss da leider widersprechen: Das Management ist sehr wohl diesen Zwängen unterworfen. Ein Unternehmen, welches meint, die inneren Gesetze des Kapitalismus ignorieren zu können, würde nämlich ganz schnell von der lieben Konkurrenz gefressen.

Übrigens hebt Konicz in seinem Buch sehr wohl darauf ab, gegen die irrwitzigen Zwänge der kapitalistischen Gesellschaft Widerstand zu organisieren. Um dies zu tun, muss man deren innere Gesetzmäßigkeiten aber erst mal kennen und verstehen.

Alles Gute!

Gerd Bedszent

Veröffentlicht in der jungen Welt am 26.05.2020.
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