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Leserbrief zum Artikel Kommentar: Anschnauzer vom 22.05.2020:

Sogar Schornsteinfeger

Diesem Artikel muss aus meiner Sicht noch einiges hinzugefügt werden.
Als vor 75 Jahren, am 8. Mai 1945, das faschistische Deutschland bedingungslos kapitulierte, hatte allerdings in den drei Westsektoren die faschistische Staatsmaschinerie nicht aufgehört zu existieren. Die Altnazis legten ihr Schreibgeräte in die Federschale, gingen nach Hause, entledigten sich ihrer faschistischen Uniformen, schlüpften in den in ihrem Kleiderschrank hängenden Nadelstreifenanzug, unterschrieben eine ihnen vorgelegte Erklärung und wurden im selben Augenblick, entsprechend ihrer Unterschrift, »Demokraten«. Anschließend gingen sie zurück an ihren alten Arbeitsplatz, nahmen ihr Schreibgerät wieder aus der Schale und setzten nun als geläuterte Demokraten ihre Arbeit dort fort, wo sie am 8. Mai 1945 aufgehört hatten. Ob in der Justiz, dem Verwaltungsapparat, in Schulen oder an Universitäten, ja selbst an den juristischen Fakultäten waren die Professoren und Dozenten die Alten geblieben. Diese drei Westsektoren übernahmen auch Hitlers antibolschewistische und antikommunistische Hysterie. Sie wurden dabei noch unterstützt durch die 1946 vom US-Präsidenten Truman unterzeichneten Doktrin, die seither als imperialer Erlass im Kampf gegen die kommunistische Ideologie gilt. Somit nimmt es nicht Wunder, dass 1956 das Verbot der Kommunistischen Partei Deutschlands als einer der wesentlichsten Schritte zur weiteren Aktivierung der Verwirklichung ihres Kampfes gegen die kommunistische Ideologie den Auftakt gab. Im Urteil war zu lesen: »Diese Partei ist eine Gefahr für die bürgerliche Freiheit in der Bundesrepublik.« Im gleichen Atemzug wurden alle weiteren, der KPD nahestehenden Organisationen und Vereinigungen gleich mit verboten. Ohne Zeitverzug folgte, ihrem antikommunistischen Kampf entsprechend, auch der Versuch, einen Verbotsantrag gegen die VVN zu verwirklichen. Einer Organisation, die eine Vielzahl von Überlebenden aus den faschistischen Konzentrationslagern und Zuchthäusern vereinigte. Das war schon eine Entblößung der wirklichen Absichten der bundesdeutschen Staatspolitik, eine Organisation der Überlebenden der faschistischen Konzentrationslager und Zuchthäuser zu verbieten.
Zu diesen politischen Aktivitäten gehörte nach Ende des heißen Krieges die Ausweitung des ihn ablösenden kalten Krieges. Regelrecht brutal aktiviert wurde der ökonomische Krieg gegen die an der Nahtstelle zur kapitalistischen BRD liegende, im sozialistischen Aufbau befindliche DDR.
Zusätzlich unterstützt, finanziell und ideologisch, wurden diese Aktivitäten, als durch die USA der Bundesrepublik Deutschland eine europäische Vormachtstellung im Kampf gegen den Kommunismus zugedacht wurde.
Diese Rechtslastigkeit der BRD wird auch dadurch bestätigt, dass zwei Verbotsanträge gegen die NPD vom Bundesverfassungsgericht mit der Begründung abgelehnt wurde: »Eine Demokratie muss eine solche ideologische Richtung aushalten« – d. h. eine rechte Ideologie.
Der Staat ist das Machtinstrument der jeweils herrschenden Klasse, die Bundesrepublik hat mit dieser Ablehnung des Verbotes der NPD eine schwere Verantwortung übernommen. Wenn sich Geschichte in Deutschland wiederholen würde, wäre die BRD nach all den vorliegenden Beweisen der Staat, dem die Hauptschuld für diese Entwicklung anzulasten wäre.
Es ist unbestritten, gegen links wird ohne Unterbrechung weiter gehandelt. So wurde 1969 der Radikalenerlass vom damaligen Bundeskanzler der BRD, Willy Brandt (SPD), rechtskräftig unterschrieben, 1972 wurde mit seiner Realisierung begonnen. 1.400.000 Bundesbürger wurden auf ihre Loyalität überprüft, wer sich antifaschistisch äußerte, wer irgendwann einmal in die DDR gereist war, wer an antifaschistischen oder gegen die Remilitarisierung der BRD durchgeführten Demonstrationen oder gleichartigen Kundgebungen teilgenommen hatte, wurde aus dem Staatsdienst entlassen, das traf sogar auf Schornsteinfeger zu. So traf diese Überprüfung 300.000 Bundesbürger, 30.000 von ihnen verloren sogar ihre Pensionsansprüche. Deshalb können die damaligen Wahlplakate der CDU: »Alle Wege zum Marxismus führen nach Moskau«, nicht auch gegen die SPD gerichtet gewesen sein. Die SPD war seit jeher Teil des Systems und hat größtenteils die Entscheidungen mitgetragen. So ist es in dieser Bundesrepublik Deutschland an der Tagesordnung, dass zur weiteren Bestätigung ihrer rechtslastigen Politik der VVN/BDA (Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes, Bund der Antifaschisten) die Gemeinnützigkeit entzogen wurde. Die BRD hat mit diesem erneuten Schritt bewiesen, dass Meinungsfreiheit und politische Handlungsfreiheit dem linken Spektrum nicht in gleicher Weise, dem Grundgesetz entsprechend, zugestanden wird. Wer linke Betätigungen verbietet und rechte Vereinigungen sanktioniert, hat sich selbst einen bestimmten politischen Stempel aufgedrückt.
So schließe ich mich der Forderung nach sofortiger Rücknahme der Aberkennung der Gemeinnützigkeit an.
Klaus Glaser, Schwarzenberg
Veröffentlicht in der jungen Welt am 25.05.2020.
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