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Leserbrief zum Artikel Linke Strategiediskussionen: Illusionäre Ignoranz vom 27.02.2020:

Dann kamen die Geier

Werner Seppmans Bemühen, die Linkspartei in ihren letzten Zügen zu porträtieren, ist nicht zu übersehen. Es war nicht umsonst: dem Portrait ist zuzustimmen, ihre Agonie tritt deutlich hervor. Wie lange sie noch mit dem Tod ringt, lässt er offen. Das ist keine wichtige Frage mehr. Doch warum setzt er es in Kontrast zu einem verlorenen, dazu noch imaginären Paradies? Sich auf Lenins Worte stützend, »dass es keine revolutionäre Bewegung ohne revolutionäre Theorie gibt«, zieht er zwar die Grenze zwischen Reform und Revolution, übersieht aber in diesem Zusammenhang, dass Lenins Klarstellung grundsätzlich gilt, d. h. nicht nur für die Linkspartei in ihrem heutigen Aggregatzustand, sondern von der Gründung der PDS angefangen für ihre ganze Geschichte. Seppmann greift die gegenwärtige Linkspartei aus fünf Positionen an: Abschied von der Arbeiterklasse; Strukturen der Gegenmacht; Wege ins politische Abseits; politische Selbstaufgabe; alternative Erzählungen. Dass sich die PDS unter Gysis Führung Lenins Worte zu Herzen genommen hat, ist auszuschließen. Und wie sie zur marxistischen Theorie gestanden hat, ist bekannt. Unter Wagenknechts Führung sah es nicht besser aus. Sozialdemokratisch von Anfang an, schritt die Integration in das System ungebremst weiter voran und kann heute als abgeschlossen betrachtet werden. Seppmann lässt die Frage offen, wann es jemals in der PDS/Linkspartei eine revolutionäre Periode gegeben hat, von der abgewichen und Wege ins politische Abseits vorgezogen wurden. Und wer von den maßgeblichen Akteuren und Akteurinnen ist jemals zur politischen Selbstaufgabe geschritten?
Keine dieser Figuren ist einer Anleitung zum Untergang gefolgt. Mit dem Untergang der DDR war Sozialismus für sie erledigt. Das haben sie allesamt in drei Jahrzehnten überzeugend gezeigt. Seppman überschreibt sein Portrait mit »Illusionäre Ignoranz«. Was sagt er damit? Erlagen die revolutionären Kräfte in einer revolutionären Periode der Linkspartei aus bisher nicht bekannten Gründen einem illusionistischen Wahn, der sie ins politische Abseits trieb? Oder war es weit weniger dramatisch: dass sich die führenden reformistischen Opportunisten durchaus im Diesseits sahen und Illusionen produzierten, um sich ertragreich über Wasser zu halten? Diese Politik hat ihre Zeit hinter sich und liegt jetzt im Sterben. Seppmann wäre nicht der Gourmet Seppmann, hätte er sich den Leckerbissen Anke Domscheid-Berg entgehen lassen, die innerhalb kurzer Zeit in die Führungsetage der Linkspartei aufgestiegen ist. Als ehemalige Chefin der Brandenburger Piratenpartei machte sie sich nicht mit Ideen, großen Reden oder überhaupt beachtenswerten geistigen Leistungen bemerkbar, sondern mit der Methode optischer Blickbannung – indem sie sich von oben bis unten in die Farben der Partei hüllte, so dass sie wie ein Feuersalamander aussah. Als die Piratenpartei auf dem letzten Loch pfiff, legte sie das Feuersalamanderkostüm ab und flog mit dem feinen Instinkt des Totenvogels zur Linkspartei.
W. R. Gettél
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