Leserbrief zum Artikel Linke Strategiediskussionen: Illusionäre Ignoranz
vom 27.02.2020:
Transformatorische Tagträume einer vermeintlichen Linken
Eine ausgezeichnete Analyse; brillant, scharfsinnig, schlüssig und außerdem noch in einer erfreulich klaren und ungeschnörkelten Sprache verfasst. Dergleichen begegnet einem leider nicht so häufig. Allerdings halte ich den (interrogativen) Titel der Broschüre, »Ist der Kapitalismus überhaupt noch reformierbar?«, für problematisch und für eine glatte Fehlleistung, suggeriert doch das »noch«, dass das kapitalistische System in der Vergangenheit durchaus noch »reformierbar« gewesen wäre, diese Chance womöglich nunmehr aber historisch endgültig verpasst sei. Der Kapitalismus war noch zu keinem Zeitpunkt »reformierbar«, und er wird es auch nie werden. Seine massive Zurückdrängung oder gar Überwindung wird daher eines permanenten revolutionären Kampfes bedürften. »Verhandlungen auf Augenhöhe« zwischen Ungleichen, mit dem Ziel der Selbstauflösung des Stärkeren, sind und bleiben eine geradezu groteske Illusion. Auch gelegentliches »Collective bargaining by riot« (Eric Hobsbawm) dürfte das Fundament des Kapitalismus wohl kaum nachhaltig erschüttern oder gar endgültig zum Einsturz bringen.