Leserbrief zum Artikel Politische Krise in Thüringen: Staatstragend in Erfurt
vom 11.02.2020:
Formelhafte Betrachtung
Dem Artikel entnehme ich, dass Herr Bodo Ramelow trotz vergangener Enttäuschungen noch immer darum buhlt, mit der CDU und der FDP eine gemeinsame Politik machen zu dürfen, was von beiden Seiten aber erneut abgelehnt wird. Um eine solche Haltung der beiden Altparteien CDU und FDP zu verstehen, muss man wissen, dass diese dem »Extremismuskonzept« folgen, welches »tief in der politischen Kultur der Bundesrepublik verankert ist«, so Maximilian Fuhrmann, Gewerkschaftssekretär beim DGB, in seiner kürzlich beim Nomos-Verlag erschienenen Dissertation »Antiextremismus und Demokratie. Kritik am politischen Selbstverständnis der Bundesrepublik Deutschland«. Diesem Konzept zufolge ist jeder ein Extremist, der »gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung« (FDGO) verstößt. Die FDGO-Definition geht auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts zurück, in welchem auf politische und soziale Grundrechte nicht eingegangen wurde. Zu diesem Zeitpunkt war auch das Bundesverfassungsgericht durchsetzt mit Richtern wie Willi Geiger, dessen Biographie unter dem Titel »Willi Geiger. Vom Antisemiten und Staatsanwalt am NS-Sondergericht zum Richter am Bundesverfassungsgericht« Dr. Helmut Kramer beschrieb. (…) Wer ein »Extremist« im heutigen Rechtsstaat BRD ist, bestimmt nach wie vor der Verfassungsschutz. Somit basiere das Extremismuskonzept »auf einem Demokratieverständnis, dessen Kern in erster Linie aus staatlichen Institutionen und Verfahrensweisen« bestehe und dessen Interpretation vor allem dem Inlandsgeheimdienst überlassen wird, so Fuhrmann. Und mit Hilfe einer formelhaften Betrachtung der politischen Lage sind FDP und CDU zu dem Schluss gekommen, »es sei das kleinere Übel, mit einem Faschisten zu paktieren, als einem sozialdemokratischen Linken-Politiker durch Stimmenthaltung ins Ministerpräsidentenamt zu verhelfen«, so Fuhrmann.
Veröffentlicht in der jungen Welt am 13.02.2020.