Leserbrief zum Artikel Literatur: Hölderlins roter Stern
vom 12.02.2020:
Gepflegt bösartig
Als interessierter und meist sehr begeisterter Leser der jW habe ich heute mit Freude beim Artikel über Hölderlin eine Abbildung des Bildhauers Peter Lenk gesehen. Vielleicht ist Ihr verantwortlicher Bildredakteur ja nicht zufällig auf diesen großartigen Bildhauer gestoßen. Die Beschäftigung Ihrer Zeitung mit Kunst, Philosophie und Religion und bisweilen auch Naturwissenschaften in der Bandbreite und Sorgfalt zeugt von einem Menschenbild, das eben nicht bei Politik anfängt und aufhört, sondern das ganze Ensemble gesellschaftlicher Verhältnisse versucht anzudeuten. Im Bereich der Plastik sind die Arbeiten von Peter Lenk bestimmt einen größeren Artikel wert. Zwar wohne ich seit 1967 in Hamburg, bin aber in Überlingen am Bodensee aufgewachsen, wo nicht nur Frau Weidel ihr Unwesen treibt, sondern auch Peter Lenk Herrn Walser zu dessen großer Empörung als Reiter vom Bodensee lächerlich gemacht hat und im ganzen Bodenseeraum und drüber hinaus versucht, der Obrigkeit ans Zeug zu flicken. Daher kenne ich viele Figuren von ihm. In Bodman am Bodensee, wo meine Frau und ich regelmäßig übernachten, hat er in seinem großen Garten viele wunderbare Skulpturen. Die Reliefs z. B. beim Rathaus in Ludwigshafen am Bodensee (Triptychon Ludwigs Erbe) oder an der Hafenpromenade Bodman (Narrenschiff) sind gepflegt bösartig gegenüber der herrschenden Klasse und den ihr dienenden Politikern. Er hat viele Herrschaften aus der Vergangenheit und Gegenwart aufs Korn genommen. Dass im süddeutschen Raum damit legerer umgegangen wird, hat sicherlich mit der in der Fastnacht trotz allem bisweilen noch vorhandenen Widerborstigkeit gegen oben zu tun. Mir sind außer den beiden kleinen Heften (siehe Fettdruck) noch bekannt das achtseitige Heftchen Badische Revolution und die ausführlichere Dokumentation »Peter Lenk: Skulpturen. Bilder, Briefe, Kommentare, Stadler-Verlagsgesellschaft, Konstanz 2005.
Veröffentlicht in der jungen Welt am 13.02.2020.