Leserbrief zum Artikel Medizin und Ethik: Zwang ist keine Lösung
vom 13.08.2019:
Undialektische Argumentation
Monika Knoche bemüht in ihrer ablehnenden Haltung zur Organspende auf Widerruf den faschistischen Terror. Zwar möchte sie bei der Debatte über die Menschenwürde in bezug auf jene Thematik keine Gleichsetzung verstanden wissen, dennoch war es kein Zufall, den Faschismus zu bemühen. Schlechterdings vertritt Knoche als vermeintliche Linke eine strukturelle Gegnerschaft zu staatlichen Eingriffen und knüpft die Menschenwürde als Unantastbarkeit im Sinne des Grundgesetzes daran an. Sie geht allerdings von einem moralischen Konstruktionsfehler aus, wenn sie meint, die Widerspruchslösung stehe diametral zum Selbstbestimmungsrecht des Individuums. Die Organspende wird in den Entwürfen der Befürworter nicht als Zwang konkretisiert, sondern als gesellschaftliches Instrument der bedingten Solidarität, die jederzeit widerrufen werden kann. Um das Konstrukt aufzubrechen, gilt es vielmehr, die Würde des Menschen materialistisch und frei von verbrämten Ideologien zu definieren, bei der das Selbstbestimmungsrecht seine natürlich gesetzten Grenzen hat. Ohnehin handelt es sich hierbei um ein aufoktroyiertes Recht, welches sich anhand der Existenz des Lebens abstrahiert. Bereits die Geburt als solche, sprich das Sein, ist ein gegen jedwede Entscheidungsfindung des einzelnen vollzogener Akt, mehr: ein in all seinen Facetten egoistischer Prozess der Eltern. (...) Man kommt nicht umhin, das Recht des Lebens als objektive Realität nicht an eine Pflicht zu binden. Die Diskussion über die Widerspruchslösung handelt gerade darüber, aus ethischen Versatzstücken Leben und Tod klar auszudefinieren, die hierbei einen viel eklatanteren Bruch im Selbstbestimmungsrecht deklariert, da die unausgesprochene Lebenspflicht als faktische Herangehensweise als Minimalkonsens betrachtet wird. Die Debatte über wissenschaftliche Erkenntnisse über den Beginn des Todes und die moralische Deutungshoheit, daran eine Rechtsverletzung festzumachen, ist Resultat einer undialektischen Herangehensweise, wie sie auch bei Impfungen geführt wird. Das Recht auf den Besitz funktionierender Organe erlischt in dem Moment, wenn der Besitzer irreversibel verstorben ist. Daran Besitzansprüche festzumachen ist metaphysischer Egoismus.
Veröffentlicht in der jungen Welt am 15.08.2019.