Leserbrief zum Artikel Parteipolitik: »Die politische Linke muss die Klassenfrage stellen«
vom 17.11.2018:
Partei oder Supermarkt
Ulrich Maurer sagt zu den Auseinandersetzungen um Sahra Wagenknechts »Aufstehen«-Bewegung: »Ich glaube, dass die Wählerschaft der Partei Die Linke sehr unterschiedliche Milieus umfasst. Und dass die Partei eigentlich nur diese unterschiedlichen Milieus in ihrer Wählerschaft abbildet. In dem Moment, wo ein Milieu versucht, das andere zu besiegen, ist es im Ergebnis das Ende.« Das ist falsch gedacht. Für einen Supermarkt ist es heute geschäftlich sinnvoll, außer der Fleischtheke auch allerlei vegetarische und sogar vegane Lebensmittel anzubieten. Aber für eine Veganervereinigung wäre es ausgesprochen dumm und unglaubwürdig, sich von einer Vorsitzenden repräsentieren zu lassen, die bei jedem zweiten Auftritt gegen die Gefahren einer fleischfreien Ernährung wettert. Das breite Sortiment von Flügeln, Strömungen und persönlichen Seilschaften der Linkspartei steht sich gegenseitig im Wege. Sahra Wagenknecht stößt viele ab, die andernfalls vielleicht nicht unbedingt die Wählerzahlen der Grünen aufblähen würden. Aber wenn ich Ulrich Maurer richtig verstehe, weint er denen sowieso keine Träne nach, wie es mal im letzten Stadium der DDR hieß. Andererseits ist nicht zu erkennen, dass Sahra mit ihrer faktenfreien Generalabsolution für AfD-Wähler – »keine Angst, die wollen nur protestieren« – dort bei Wahlen punkten könnte. Bestenfalls bescheinigt man ihr, in der falschen Partei zu sein. Es ist zwar schrecklich altmodisch, aber man sollte doch mal lesen, was Lenin zum »Versöhnlertum« schrieb. Immerhin gehörte er zu denen, die die einzige sozialistische Revolution leiteten, die bisher in Europa stattfand.