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Leserbrief zum Artikel Novemberrevolution: Umstandslos erschossen vom 26.10.2018:

Interessante Freundschaft

Otto Marloh, ein späterer Alter Parteigenosse, wird genannt, der nach dem Schießbefehl des SPD-Reichswehrministers Gustav Noske vom 9. März 1918 zwei Tage später anordnete, 30 Volksmarine-Divisionäre zu erschießen. Einer überlebte. 1919 dann der Freispruch für den Täter durch die rechte Weimarer Justiz. Nach dem Wechsel vom niedersächsischen Zuchthauschef zum Landrat in Wittgenstein verantwortete er 1943 die Deportation von mindestens 140 Sinti-Nachfahren nach Auschwitz, die meisten Kinder. Nur einzelne überlebten. In einem der ganz wenigen Verfahren gegen Verantwortliche für den Genozid an der Roma-Minderheit wurde er nach Regimeende zu vier Jahren Haft verurteilt, jedoch im Anschluss an das Urteil aus gesundheitlichen Gründen auf freien Fuß gesetzt. Die Prozesskosten übernahm die Armenkasse. 1945 ordnete er im letzten Abschnitt der »Endphase« die Tötung eines US-Piloten an, die der damit Beauftragte nicht ausführte. Für Marloh, der sich in einem Hotel bei guter Versorgung hatte »überrollen« lassen, blieb die Sache folgenlos. Marloh war ein Freund der bildenden Kunst und befreundet mit dem niedersächsischen völkischen Maler Erich Klahn, der ihm zu seinem Verfahren 1949 eine »außerordentlich lautere Gesinnung und seine hervorragende männliche Haltung« bescheinigte. Marloh habe einen »unbestechlichen Charakter« und strebe »bewusst eine klare und kompromisslose Ordnung unter den Menschen, zwischen den Völkergemeinschaften und Staaten« an. Er habe »Vorbildliches für sein Vaterland geleistet«. Marloh sei »als Mensch unantastbar«. Diese Freundschaft finde ich deshalb interessant, weil aus der Mitte der bekannten niedersächsischen Politiker- und Unternehmerfamilie Albrecht (seinerzeit ein Ministerpräsident, heute eine Verteidigungsministerin) 1999 eine »Klahn-Stiftung« gegründet wurde, die das malerische Erbe des von ihr bewunderten Künstlers verwaltet und verteidigt, auch wenn es inzwischen schon mal Kritik gibt.
Dr. Ulrich F. Opfermann, Tönisvorst
Veröffentlicht in der jungen Welt am 30.10.2018.