Leserbrief zum Artikel Ostafrika: Aus Feinden werden Nachbarn
vom 20.07.2018:
Prinzip der »Self-reliance«
Bei aller Freude über die Entwickung am Horn von Afrika ist es ernüchternd festzustellen, wie wenig resistent selbst linke Organe gegen die westliche Propaganda in bezug auf Eritrea sind. Ist es das »Nordkorea Ostafrikas« oder – so der deutsche Botschafter – ein ostafrikanisches Kuba? Vorsicht scheint angebracht (man will ja nicht »Menschenrechtsverletzer« hofieren), und so flüchtet sich auch der jW-Beitrag in den »Soll«-Modus: Afewerki »soll wie ein Diktator herrschen, Gegner gleich umbringen, die Bürger zu Fronarbeit zwingen«. Beweis: Eritrea ist mit Sanktionen belegt, also wird was dran sein. Schon die gesunde Logik müsste Zweifel wecken: Wie kann ein 5,5-Millionen-Volk mehr als 30 Jahre lang allen Aggressionen zigfach überlegener Gegner widerstehen, wie passt es, dass Eritrea in sozialen Kernfragen – Bildung, Gesundheit, Seuchenbekämpfung, Anti-Beschneidung, Minderung der Säuglingssterblichkeit, Lebenserwartung, Aufforstung, Ökologie – stets Höchstnoten erzielt? Fakt ist, dass das eritreische Prinzip der »Self-reliance«, des Vertrauens auf die eigene Kraft, das Land untauglich macht für die Segnungen der Globalisierung, ein Staat, der IWF-Kredite ablehnt, ist per se verdächtig. Wer Eritrea helfen will, sollte dafür eintreten, dass die von den USA ohne »Evidence« lancierten Sanktionen endlich fallen – im Frieden und ohne Einschnürung kommen die Eritreer sehr gut alleine klar.
Veröffentlicht in der jungen Welt am 25.07.2018.