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Leserbrief zum Artikel Ostafrika: Aus Feinden werden Nachbarn vom 20.07.2018:

Kein schwarzes Loch

(…) Eritrea hatte ich bisher nur mit dem Finger auf der Karte in Afrika berührt, deshalb wollte ich mehr wissen, um mir ein umfassenderes Bild zu machen. Beim Krieg gegen Äthiopien haben weder der Westen noch der damalige »Ostblock« Eritrea zum Sieg verholfen. Deshalb ist das Land unabhängig und braucht niemandem »danke« sagen. Eritrea bemüht sich, aus allen Gesellschaftssystemen das beste für sich umsetzen. Eritrea will nie die verlängerte Werkbank und der Schrottplatz des Westens werden, d. h. keine Billigimporte dulden, keinen Biosprit und Maisanbau für die globalisierte Welt bereitstellen. Bodenschätze werden entweder zum Wohl des Landes und gut bezahlt abgebaut, oder sie bleiben in der Erde. Die säkulare Regierung des Landes, in dem neun verschiedene Ethnien, Christen und Moslems friedlich zusammenleben, sieht sich wegen ihrer eigenständigen Politik seit Jahren ständig mit Wirtschaftssanktionen und Aggressionen von Äthiopien bedroht. Die Entwicklung in Eritrea gefällt dem Westen nicht, welcher sehr gern seine Demokratie mit Bajonetten in die sogenannte dritte Welt exportieren will. Auf Druck des Westens haben die UN 2009 Sanktionen beschlossen. Deutschland war aber schneller und stellte die Entwicklungszusammenarbeit schon Mitte 2008 ein, trotzdem sind dort einige Nichtregierungsorganisationen aus Deutschland aktiv. Die großzügige Unterstützung für die eritreischen Flüchtlinge seitens der Bundesregierung ist genau durchdacht, der Verlust vieler gut ausgebildeter Arbeitskräfte trägt zur Destabilisierung des Landes bei und behindert seine Entwicklung. Mit dieser Politik des Abwerbens vom Arbeitskräften hatte die BRD schon aus DDR-Zeiten genug Erfahrung.
»Eritrea ist ein schwarzes Loch«, sagte der Sprecher für humanitäre Koordination der UN, Matthew Conway, in Nairobi bereits 2011. Eritrea sei neben Nordkorea eines der sozialistischen Länder, wo Menschenrechte am schlimmsten mit Füßen getreten würden. Man könne es mit dem Wüten von Pol Pot (1975–79) in Kambodscha vergleichen. Diese Darstellung wird von den vier in Asmara, der Hauptstadt Eritreas, akkreditierten Botschaftern von EU-Mitgliedstaaten, darunter dem deutschen Botschafter sowie dem Gesandten der EU, nun in Frage gestellt. Das Verbot von Meinungs- und Versammlungsfreiheit sowie der hochgerüstete Sicherheitsapparat sind Realitäten. Aber von Menschenrechtsverletzungen in einem Ausmaß, wie im UN-Menschenrechtsbericht beschrieben, könne nach eigenen Beobachtungen keine Rede sein. Die Botschafter empfehlen ihren Heimatländern sowie der Europäischen Union deshalb, nicht den Forderungen der UN zu entsprechen und Sanktionen gegen Eritrea zu verhängen. Das könne zu einer Hinwendung des Landes zu China führen und zu einem Abbruch der Beziehungen zu Europa.
Stanislav Sedlacik
Veröffentlicht in der jungen Welt am 02.08.2018.
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