Leserbrief zum Artikel 1968 forever: »Was machen wir jetzt?«
vom 13.06.2018:
Oral History wäre besser
Genosse Meueler stellt sich das Agieren der RAF 1970 ein bisschen wie eine Vereinsgründung für eine neue Sportart vor. Wenn's eben nicht klappt, muss der Verein wieder aufgelöst werden. Hahahaha. Man merkt der Beilage an, dass im Wesentlichen Nach-68er über die damalige Zeit geschrieben haben. Sinnvoller für die junge Welt wäre es, viele Interviews in der Art der »Oral History« der 1980er Jahre mit damaligen Zeitgenossen aus dem Lehrlings- und Studentenbereich zu machen und diese dann – völlig unkommentiert – im Blatt zu veröffentlichen. Das wäre klasse und echt.
Wie man es – vor allem sprachlich – nicht machen sollte, zeigt der von mir ansonsten sehr geschätzte Genosse Hanloser von den Rätekommunisten in der Besprechung »Ein tückisch Ding« von Armin Nassehis Buch »Gab es 1968? Eine Spurensuche«. Für den Satz: »Die Elemente der Gegendifferenzierung, seien es elitäre Exklusionsbedürfnisse eines Sloterdijk oder kulturkämpferisch-konservative Moralinvektiven von Junge Freiheit-Autoren gegen 68er, die personalisierend für eine ganze gesellschaftliche Entwicklung verantwortlich gemacht werden, greift er ebenfalls immer wieder auf«, (alles in allem ein einziger Satz voller Rätsel und begrifflicher Zumtungen) muss der Leser in diesen WM-Zeiten eigentlich einen Elfmeter und zwei Freistöße, sowie 200 Euro Schmerzensgeld fürs reine Lesen und Verstehen-Versuchen bekommen. Dies und nicht nur dies zeigt, dass man manchmal auch besser nichts geschrieben hätte. Hier handelt es sich um eine überflüssige Besprechung eines höchst überflüssigen Buches, das niemand lesen will und muss.
Aber: Was soll man jetzt mit der vielen Arbeit am »Wort« anfangen, um es nicht nur gleich in die Tonne zu kloppen? Mein Vorschlag: Es mal als Abiturthema in einem typischen Berliner Gymnasium in Neukölln verwenden. Denn auch dort müssen die lieben Abgänger ja auf das wirkliche Leben vorbereitet werden und darauf, eventuell auch mal mit sprachunfähigen Intellektuellen zusammentreffen zu können.
Sprachlich recht zugänglich und locker-flockig geschrieben in derselben Beilage auf Seite 5 »Die Sonne des Maoismus stand tief« von Markus Mohr über das Werk von Willi Jasper: »Der gläserne Sarg. Erinnerungen an 1968 und die deutsche ›Kulturrevolution‹«, Matthes und Seitz, Berlin. Auch ein Buch, das nicht unbedingt gebraucht wird, aber die Beschreibung kann mit Genuss konsumiert werden, leichte Fehler (KPD/AO – reine Studentenpartei) erträgt man so leichter. Die maoistische KPD hatte nicht nur in Westberlin einzelne Betriebszellen. Habe Menschen aus diesen »Zellen« 1976 beim KJVD-Camp in Unadingen/Schwarzwald kennengelernt.