4. Mai, Diskussion zu Grundrechten
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Leserbriefe

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Leserbrief zum Artikel Lesen und Sammeln: »Ich lass’ mir die DDR nicht nehmen, das Erbe muss bewahrt werden« vom 17.03.2018:

Verhältnisse des Ungeistes

Assoziativ zu Erich Kästners berühmtem Gedicht aus dem Jahre 1928 frage ich: »Kennst du das Land, in dem der Ungeist blüht und wo allabendlich wird Lug versprüht, wo Dutzende Milliarden nur für Waffen auch Sicherheit für größte Dummheit schaffen? Du kennst das Land nicht, wo auch Poesie abstrakt zerfällt, in Dekadenz verpackt? Das spürst du kaum, weil längst du mittendrin, als Flüchtling gibst dich jedem Ungeist hin.« Am 10. Mai jährt sich zum 85. Mal der Tag der faschistischen Bücherverbrennung in Berlin, der auch die Werke von Karl Marx und Friedrich Engels, Heinrich Heines, Heinrich und Thomas Manns und Erich Kästners – neben den Büchern unzähliger anderer Schriftsteller – zum Opfer fielen. In der DDR wurde am 10. Mai aus diesem Anlass des Tags des Freien Buches in mahnendem Gedenken allseits würdig gedacht.
Nichtsdestotrotz wurden im Rahmen der konterrevolutionären Ereignisse von 1989/90 Millionen Bücher der DDR-Literatur mit ihrem internationalen Gehalt ohne Sinn und Verstand verscherbelt. Peter Sodann gehörte neben einigen anderen besonnenen Zeitgenossen zu jenen, die bemüht waren, diesen Ungeist in Grenzen zu halten. Aber jene Verwüstung hat sich digital als Spiegelbild der Verhältnisse dennoch nicht aufhalten lassen. So wurde vor 5 Jahren in nunmehr traditionell abendländisch christlicher Barbarei unter Mitverantwortung des späteren Kardinals Marx die etwa 40.000 Verse und Sprüche umfassende Jokers-Gedichte-Datenbank gelöscht. Hierin waren neben zeitgenössischen Verfassern Gedichte von Goethe, Schiller, Rilke, Storm und vielen anderen Dichtern vereint, die die faschistische Bücherverbrennung überlebt hatten. Von mir befanden sich damals genau 550 Gedichte in der Datenbank.
In dieser stand u. a. auch das frühe Gedicht von Karl Marx, dessen 200. Geburtstag wir in diesem Jahr begehen:

In seinem Sessel

In seinem Sessel, behaglich dumm,
Sitzt schweigend das deutsche Publikum.
Braust der Sturm herüber, hinüber,
Wölkt sich der Himmel düster und trüber,
Zwischen die Blitze schlängelnd hin,
Das rührt es nicht in seinem Sinn.

Doch wenn sich die Sonne hervorbeweget,
Die Lüfte säuseln, der Sturm sich leget,
Dann hebt´s sich und macht ein Geschrei,
Und schreibt ein Buch: »Der Lärm ist vorbei.«

Fängt an darüber zu phantasieren,
Will dem Ding auf den Grundstoff spüren,
Glaubt, das sie doch nicht die rechte Art,
Der Himmel spaße auch ganz apart,
Müsse das All systematischer treiben,
Erst an dem Kopf, dann an den Füßen reiben,
Gebärd´t sich nun gar, wie ein Kind,
Sucht nach Dingen, die vermodert sind,
Hätt´indessen die Gegenwart sollen erfassen,
Und Erd´und Himmel laufen lassen,
Gingen ja doch ihren gewöhnlichen Gang,
Und die Welle braust ruhig den Fels entlang.

Leider scheint auch die linke Tageszeitung junge Welt inzwischen etwas im Sessel zu sitzen. Früher vor acht, neun Jahren veröffentlichte die junge Welt auch mal Verse von mir auf ihrer Onlineleserbriefseite. Heute fallen, wie jüngst geschehen, Gedichte unter die Redaktionszensur. Die Klientel um Drostes »Witz-komm-raus-Verse« darf nicht eingeschränkt werden. Und außerdem erhält der Leserbrief – was früher online nie der Fall war – einen anderen Titel. So heißt der vom 3. Mai – wo es um die weltweite Rüstung geht – nun »Mittendrin«. Ich schrieb aber »1,74 Billionen für den Tod« – es handelte sich hierbei um Dollar, wie auch im Zeitungsartikel vermerkt.
E. Rasmus
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