4. Mai, Diskussion zu Grundrechten
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Leserbriefe

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Leserbrief zum Artikel Skripal-Affäre: Geplatzte Lügen vom 06.04.2018:

Besser beraten

Sind die Russen noch zu retten? Also, entweder sind die Russen strohdoof oder dummdreist! Spätestens seit dem Attentat auf den Exilrussen Litwinenko weiß doch alle Welt, dass solche Giftmorde nicht unentdeckt bleiben. Nein, ich will hier keine Anleitung zum Handeln geben und mir damit vielleicht noch den Staatsanwalt oder Schlimmeres auf den Hals holen. Aber wäre der Russe nicht besser beraten, einen ganz normalen (sorry) Killer mit herkömmlichem Gerät, das dann auf Nimmerwiedersehen irgendwo unter der Erde oder in den Fluten der Meere verschwindet, zu engagieren? Der oder die Killer oder, pardon, die Killerin, um der Geschlechtergerechtigkeit zu entsprechen, würde dann ihrer-/seinerseits gekillt, damit noch mehr Spuren verwischt werden.
Ach, waren das Zeiten, als der echte James Sean Roger Bond, Ihrer Majestät charmant-blutiger Geheimdienstler, noch die Lizenz zum Töten hatte, als die befreundete CIA (oder wer auch immer dahinter) Lumumba umbringen ließ, als zig Attentate auf den verdammten Castro geplant wurden und dabei selbst die Hilfe der Mafia willkommen war und die freiheitlich-demokratischen Geheimdienste jeden noch so blutigen Diktator stützten, statt ihn zu stürzen, wenn er denn nur ordentlich Kommunisten – oder was man dafür halten wollte – tötete. Wer schließlich erinnert sich nicht gern an das Meisterstück geheimdienstlerischer Aktivitäten, den erfolgreichen Umsturz in Chile, der ohne Hilfe der Ameverplaudert, und einige der heutigen Akteure waren da noch zu klein oder nicht mal körperlich anwesend.
Obwohl – so ganz verplaudert ist dies doch nicht, denn damals wie heute stellt(e) sich letztlich die Frage: Cui bono? Wem zum Vorteil? Und wer diese Frage einigermaßen realistisch beantwortet, der muss wohl die Russen entweder für strohdoof halten, denn dass diese Kiste nur nach hinten losgehen kann, liegt auf der Hand oder er erkennt glasklar den eiskalten Russen, dem die möglichen Folgen seines inhumanen Handelns völlig egal sind. Oder freilich, was mir zunehmend dämmert, es waren vielleicht doch gar nicht die Russen?! Vielleicht ist der Giftanschlag ein Werk der gleichen Kräfte, die uns die Chemiewaffen im Irak »bewiesen« haben? In der Folge sind nicht Vater und Tochter ins Krankenhaus gekommen, sondern Tausende ins Reich der Toten. Und das war nicht etwa ein Versehen, weil es ja den Anschein hatte, dass Saddam Hussein tatsächlich … Nein, das war eiskalt gelogen, und das Ergebnis hieß Krieg! Ausgelöst durch die Vereinigten Staaten auf der Grundlage angeblicher Erkenntnisse US-amerikanischer und britischer Geheimdienste. Heute geht es makabererweise erneut um Chemiewaffen, wenn auch in ganz anderer Art und Weise. Und als »Protagonist«, als Opfer tritt ein früherer (?) Doppelagent auf, einer, der selbst Teil des schmutzigen Handwerks auf beiden Seiten war und ist. Geliebt wird bekanntlich der Verrat, nicht der Verräter, womit wir hier einen beidseits nicht unbedingt Geliebten als menschlichen Mittelpunkt einer unmenschlichen Tat sehen. Um nicht missverstanden zu werden – ich traue beiden Seiten alles Schlechte zu! Aber derart viel Doofheit traue ich den Russen irgendwie doch nicht zu.
Würde ich das Verbrechen in die »guten alten Zeiten« übersetzen, dann hätte man heute am Tatort eine auf den Namen Wladimir Putin registrierte Makarow als Tatwaffe gefunden. Und bei der Gelegenheit – wozu dieser Riesenaufwand mit dem Kontaminieren, das mal hier, mal dort stattgefunden haben soll, für solch ein vorhersehbar desaströses Ergebnis, vom (bisher) glücklichen Überleben der Opfer gar nicht zu reden? Was mich noch mehr zum Unglauben treibt, ist die sofortige Reaktion der NATO, die unverbrüchliche Treue der Bruderstaaten des britischen Volkes, ein Bild, das die Warschauer Vertragsstaaten nicht besser hätten herbeizaubern können. Der Russe an den Pranger! Rechtsstaatliche Maßstäbe fliegen vor dem Zorn der freien Welt offensichtlich flugs davon und spielen keine Rolle mehr. Eben noch Justizminister, ist unserem nunmehrigen Außenminister alles Wissen über rechtsstaatliche Verfahren in ihrer Abfolge abhanden gekommen. Hast und Eile der Solidaritätsbekundungen, in denen ohne wirkliche Beweise ausschließlich Indizien, die nicht einmal eindeutig zuzuordnen sind, die Unschuldsvermutung einfach nicht existieren lassen, bringen (nicht nur) mich zu einem ganz anderen Verdacht. Regelrecht demagogisch wird die Behauptung, Russland wolle nichts zur Aufklärung des Mordanschlags beitragen, während ich doch Außenminister Lawrow gerade das Gegenteil sagen höre. Dass sich aber die Russen nicht wie die dummen Jungen (und Mädchen?) vor ein Tribunal zitieren lassen, dem es gar nicht um Aufklärung, sondern um die Bestätigung der Vorverurteilung geht, ist verständlich.
Hinzu kommt, siehe u. a. nochmals die Chemiewaffen im Irak, die alte Volksweisheit: »Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht …« Wobei selbst Wohlmeinenden mit Bezug auf Außenminister Boris Johnson dabei das Grinsen kommt. Also, bei dem »einmal«! Das Grinsen vergehen allerdings wird uns allen eventuell schneller als gedacht, wenn wir diesen Wahnwitz bei der Wiederbelebung des Kalten Krieges weiterbetreiben. Womöglich finden wir uns bald in einem heißen Krieg wieder, wenn es ein Finden darin überhaupt geben kann. Wir steuern jedenfalls sehenden Auges darauf zu. Die Idiotie eines Krieges gegen Russland, der nur Verlierer bringen kann, wird zunehmend zur realen Möglichkeit. Wir malen die Demokratiegefahr von rechts für ganz Europa an die Wand und setzen gleichzeitig unser Leben überhaupt aufs Spiel. Nicht nur in Europa. Wir ziehen die Schlinge um Russland und um Putins Hals immer enger und empören uns über dessen Gegenwehr. Wir feiern über 70 Jahre Frieden in Mittel- und Westeuropa und arbeiten tatkräftig auf ein Ende dieser beispiellosen Periode hin, was einigen Mächten – aber nicht Russland! – durchaus gut in ihre Pläne passen mag. Die Machtzentren London, Paris, Berlin erfreuen sich nicht in aller Welt großer Beliebtheit.
Ich weiß nicht, wie viele Mitmenschen sich noch der Frage aus Jewtuschenkows Gedicht erinnern: »Meinst du, die Russen wollen Krieg?« Wenn auch in Russland Generationen über das eigene Erleben des (Welt-) Krieges vergangen sind – ich meine das nicht. Allerdings gibt es Kräfte, die glauben, von einem ständigen Spannungsfeld mit Russland profitieren zu können. Da sollten wir scharf nachfragen: Cui bono? Vor allem die selbsternannten Schulmeister des »demokratischen Westens« sollten sich diese Frage wieder und wieder stellen. Die Welt wird nur wieder sicherer, wenn wir im gleichberechtigten Dialog die Probleme erörtern und gemeinsame Wege zu deren Lösung gehen. rikaner nie geglückt wäre? Tausende Chilenen durften für den Erhalt der Demokratie ihr Leben lassen, denn die Demokratie, so meinte Putschistenführer und CIA-Freund Augusto Pinochet, müsse gelegentlich im Blut gebadet werden. Alles im Namen der Freiheit, alles ohne staatliche Proteste der heutigen Russen-Ankläger. Aber da habe ich mich jetzt verplaudert, und einige der heutigen Akteure waren da noch zu klein oder nicht mal körperlich anwesend.
Obwohl – so ganz verplaudert ist dies doch nicht, denn damals wie heute stellt(e) sich letztlich die Frage: Cui bono? Wem zum Vorteil? Und wer diese Frage einigermaßen realistisch beantwortet, der muss wohl die Russen entweder für strohdoof halten, denn dass diese Kiste nur nach hinten losgehen kann, liegt auf der Hand oder er erkennt glasklar den eiskalten Russen, dem die möglichen Folgen seines inhumanen Handelns völlig egal sind. Oder freilich, was mir zunehmend dämmert, es waren vielleicht doch gar nicht die Russen?! Vielleicht ist der Giftanschlag ein Werk der gleichen Kräfte, die uns die Chemiewaffen im Irak »bewiesen« haben? In der Folge sind nicht Vater und Tochter ins Krankenhaus gekommen, sondern Tausende ins Reich der Toten. Und das war nicht etwa ein Versehen, weil es ja den Anschein hatte, dass Saddam Hussein tatsächlich … Nein, das war eiskalt gelogen, und das Ergebnis hieß Krieg! Ausgelöst durch die Vereinigten Staaten auf der Grundlage angeblicher Erkenntnisse US-amerikanischer und britischer Geheimdienste. Heute geht es makabererweise erneut um Chemiewaffen, wenn auch in ganz anderer Art und Weise. Und als »Protagonist«, als Opfer tritt ein früherer (?) Doppelagent auf, einer, der selbst Teil des schmutzigen Handwerks auf beiden Seiten war und ist. Geliebt wird bekanntlich der Verrat, nicht der Verräter, womit wir hier einen beidseits nicht unbedingt Geliebten als menschlichen Mittelpunkt einer unmenschlichen Tat sehen. Um nicht missverstanden zu werden – ich traue beiden Seiten alles Schlechte zu! Aber derart viel Doofheit traue ich den Russen irgendwie doch nicht zu.
Würde ich das Verbrechen in die »guten alten Zeiten« übersetzen, dann hätte man heute am Tatort eine auf den Namen Wladimir Putin registrierte Makarow als Tatwaffe gefunden. Und bei der Gelegenheit – wozu dieser Riesenaufwand mit dem Kontaminieren, das mal hier, mal dort stattgefunden haben soll, für solch ein vorhersehbar desaströses Ergebnis, vom (bisher) glücklichen Überleben der Opfer gar nicht zu reden? Was mich noch mehr zum Unglauben treibt, ist die sofortige Reaktion der NATO, die unverbrüchliche Treue der Bruderstaaten des britischen Volkes, ein Bild, das die Warschauer Vertragsstaaten nicht besser hätten herbeizaubern können. Der Russe an den Pranger! Rechtsstaatliche Maßstäbe fliegen vor dem Zorn der freien Welt offensichtlich flugs davon und spielen keine Rolle mehr. Eben noch Justizminister, ist unserem nunmehrigen Außenminister alles Wissen über rechtsstaatliche Verfahren in ihrer Abfolge abhanden gekommen. Hast und Eile der Solidaritätsbekundungen, in denen ohne wirkliche Beweise ausschließlich Indizien, die nicht einmal eindeutig zuzuordnen sind, die Unschuldsvermutung einfach nicht existieren lassen, bringen (nicht nur) mich zu einem ganz anderen Verdacht. Regelrecht demagogisch wird die Behauptung, Russland wolle nichts zur Aufklärung des Mordanschlags beitragen, während ich doch Außenminister Lawrow gerade das Gegenteil sagen höre. Dass sich aber die Russen nicht wie die dummen Jungen (und Mädchen?) vor ein Tribunal zitieren lassen, dem es gar nicht um Aufklärung, sondern um die Bestätigung der Vorverurteilung geht, ist verständlich.
Hinzu kommt, siehe u. a. nochmals die Chemiewaffen im Irak, die alte Volksweisheit: »Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht …« Wobei selbst Wohlmeinenden mit Bezug auf Außenminister Boris Johnson dabei das Grinsen kommt. Also, bei dem »einmal«! Das Grinsen vergehen allerdings wird uns allen eventuell schneller als gedacht, wenn wir diesen Wahnwitz bei der Wiederbelebung des Kalten Krieges weiterbetreiben. Womöglich finden wir uns bald in einem heißen Krieg wieder, wenn es ein Finden darin überhaupt geben kann. Wir steuern jedenfalls sehenden Auges darauf zu. Die Idiotie eines Krieges gegen Russland, der nur Verlierer bringen kann, wird zunehmend zur realen Möglichkeit. Wir malen die Demokratiegefahr von rechts für ganz Europa an die Wand und setzen gleichzeitig unser Leben überhaupt aufs Spiel. Nicht nur in Europa. Wir ziehen die Schlinge um Russland und um Putins Hals immer enger und empören uns über dessen Gegenwehr. Wir feiern über 70 Jahre Frieden in Mittel- und Westeuropa und arbeiten tatkräftig auf ein Ende dieser beispiellosen Periode hin, was einigen Mächten – aber nicht Russland! – durchaus gut in ihre Pläne passen mag. Die Machtzentren London, Paris, Berlin erfreuen sich nicht in aller Welt großer Beliebtheit.
Ich weiß nicht, wie viele Mitmenschen sich noch der Frage aus Jewtuschenkows Gedicht erinnern: »Meinst du, die Russen wollen Krieg?« Wenn auch in Russland Generationen über das eigene Erleben des (Welt-) Krieges vergangen sind – ich meine das nicht. Allerdings gibt es Kräfte, die glauben, von einem ständigen Spannungsfeld mit Russland profitieren zu können. Da sollten wir scharf nachfragen: Cui bono? Vor allem die selbsternannten Schulmeister des »demokratischen Westens« sollten sich diese Frage wieder und wieder stellen. Die Welt wird nur wieder sicherer, wenn wir im gleichberechtigten Dialog die Probleme erörtern und gemeinsame Wege zu deren Lösung gehen.
Jörg Laugsch, Königs Wusterhausen
Veröffentlicht in der jungen Welt am 07.04.2018.
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