Leserbrief zum Artikel Wirtschaftstheorie: Auf Halde produzieren
vom 11.12.2017:
Linke Sisyphosarbeit
An der Überproduktionskrise zeigt sich, wie menschenfeindlich die kapitalistische Produktionsweise ist. Dass die Marktwirtschaftsunternehmen nicht mehr alle ihre produzierten Waren verkaufen können, hat seinen Grund nämlich nicht in der Bedarfsdeckung der Bevölkerung. Denn es gibt etliche Lohnabhängige, die beispielsweise Bedarf an Qualitätskleidung haben. Was ihnen fehlt, ist allerdings das Geld, um die fehlenden Waren kaufen zu können. Folglich ist es der Mangel an »zahlungsfähiger Nachfrage«, der zur marktwirtschaftlichen Überproduktionskrise führt. Reformpolitiker der Linkspartei plädieren deshalb für höhere Löhne, um die stockende Nachfrage nach Waren anzustoßen. Dummerweise aber ignorieren sie in ihrem Reformeifer, dass der Lohnabhängige nicht nur Warenkäufer, sondern durch seinen Lohn auch Kostenfaktor bei der Warenproduktion ist. Infolgedessen ist die marktwirtschaftliche Überproduktion systemimmanent nicht zu überwinden: Bei niedrigen Löhnen mangelt es an zahlungsfähiger Nachfrage; sind jedoch die Löhne hoch, werden die Waren zu teuer, um auf den konkurrenzgesteuerten Märkten dieser Welt verkauft werden zu können. Eine Sisyphosarbeit bürden sich darum jene linken Reformpolitiker auf, die den Nachfragemangel beseitigen möchten, ohne dem kapitalistischen Marktwirtschaftssystem, das diesen Mangel erzeugt, den Garaus zu machen.
Veröffentlicht in der jungen Welt am 21.12.2017.