Leserbrief zum Artikel Dramatische Intensität
vom 13.12.2010:
Trotz, nicht wegen Stalin
Man kann auf dem linken Auge blind sein und mit dem rechten Auge auch nichts sehen wollen. Das beweisen mal wieder ein paar Leserbriefe in der "jungen Welt" die sich gegen eine vorsichtige Kritik an ihrem kommunistischen Überhelden Stalin wenden. Weil in in einer Buchbesprechung ein paar negative Worte zum Massenmörder Stalin (im übrigen eines der beklopptesten Pseudonyme der Geschichte) geäußert werden, flippen ein paar Ewiggestrige wieder komplett aus. Nichts Neues im Osten, also. Wenn die Sowjetunion den 2. Weltkrieg gewonnen hat, dann nicht wegen, sondern trotz Stalin. Wer hat denn in einer historisch beispiellosen Aktion in den Zeiten der sogenannten Säuberung die Rote Armee geradezu enthauptet und einen Großteil der Offiziere liquidieren lassen? Und auch während des Krieges sind immer wieder eklatante militärische Fehlentscheidungen getroffen worden, die der russische Soldat zu oft mit dem Leben bezahlen musste. Und nicht nur in der Roten Armee gab es einen Aderlaß, das Morden zog sich durch alle Teile der Bevölkerung und traf vor allem auch die Bolschewiki. Wie erklärt man denn jemandem, dass vom ZK der KPD mehr Mitglieder in der Sowjetunion ermordet wurden als in Nazideutschland. Wenn es den Sozialismus bis auf ein paar schwache Reste nicht mehr gibt, liegt es auch an diesem gewaltsamen Erbe des Stalinismus und dem damit verbundenem Mißtrauen sozialistischer Regierungen gegenüber allem, was ihren Vorstellungen einer Diktatur widersprach. Wer Stalinismus mit Sozialismus gleichsetzt, scheint nicht bereit zu sein, in einer pluralistischen und humanistischen Gesellschaft zu leben und setzt Gewalt über Freiheit. Wer Stalin lobt, sollte nicht vergessen, das er durch das Blut von Millionen Menschen watet.